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Die Bildsäule Karls des Großen

Von

Steigst du aus der Gruft, Erhabner?
Von der Erdengeister Haft
Hat dein abgrundtief-begrabner
Heldenleib sich aufgerafft?

Wo dich band des klugen Zwerges
Leisgeraunter Zauberspruch,
In der Kluft des Odenberges
Schlummertest du lang genug;

Senktest auf dem Stuhl von Erze
Deine Stirne, träumeschwer,
Und das Licht der Grubenkerze
Goß sich flimmernd um dich her.

Aber als die Frist verronnen,
Wie ein Erdstoß da erscholl′s,
In den Erz- und Feuerbronnen,
In den Wasseradern schwoll′s;

Und beim Ruf, der mit dem Stoße
Schütterte den Erdenball,
Dröhnte: »Wo ist Karl der Große?«
Hundertfach der Wiederhall.

Da erstandest du, Gewaltiger,
Sprengtest die granitne Thür;
Ein Jahrtausend hing als faltiger
Mantel um die Schultern dir;

Und ein steingewordner Schatte,
Deine Seele selber Stein,
Trittst du auf die Marmorplatte,
Neu bei deinem Volk zu sein.

Sprich, was runzelst du die Brauen?
Freut das Morgenrot dich nicht,
Welches deinen deutschen Gauen
Hoffnungsreich durch Wolken bricht?

Siehst du nicht mit Stolz das Wappen,
Das dein ein′ges Deutschland schmückt,
Seit in sechsunddreißig Lappen
Wir dein Purpurkleid zerstückt?

Nicht den Dom, wo edelmütigst
Wir die Fahne abgesteckt,
Und der Gallierhahn uns gütigst
Basiliskeneier heckt?

Nicht die Wälder, wo der Gimpel
Seine Hoffnungslieder pfeift,
Und der Mastbaum für die Wimpel
Unsrer deutschen Flotte reift?

Nein, den Blick verhülle, Mächtiger!
Nicht für dich ist dieser Tag!
Mag ein Schleier dir, ein nächtiger,
Uns entziehn und unsre Schmach!

Schlaf in diesem immer wüsteren
Leben, das die Nachwelt lebt,
Nur erwachend, wenn mit düsteren
Nebeln sie die Nacht begräbt!

Dann, wenn Donner um dich wettert,
Wenn der Sturmwind dich umfliegt,
Und der Blitz, der sonst zerschmettert,
Sich auf deiner Stirne wiegt,

Schau hinab zu deinem Reiche,
Das sich weithin, endlos zieht,
Wie die Gegenwart die bleiche
Große Vorzeit dämmern sieht!

Durch die Fläche schleicht ein Glimmen
Wie ein blasses Meteor;
Fernher tönen dumpfe Stimmen,
Kaum vernehmbar an dein Ohr.

Lauter dann, gleich Geisterrufen,
Hallt es aus dem Erdenschoß,
Wie Gestampf von eh′rnen Hufen
Dröhnt′s und wie Drommetenstoß.

Ist′s das Wogen ferner Meere,
Das an fels′ge Küsten schlägt?
Sind′s die Schemen deiner Heere,
Die der Sturmwind peitscht und fegt?

Ja, sie steigen, die Erwachten,
Aus der Gruft, wo hingestreckt
Sie den Staub von hundert Schlachten
Ueber ihren Pfühl gedeckt.

Toderstandne, bleiche Gruppen,
Nahn sie sich im luft′gen Tanz,
Ihre eh′rnen Panzerschuppen
Blinken matt im Mondenglanz.

Schleuderer und Bogenspanner,
Eiserne von Isenland,
Knappen mit dem heil′gen Banner
Und dem Horne Olifant,

Ritter, die der Saracenen,
Die des Nordmanns Heere sahn,
Ziehn auf Rossen, schwarz von Mähnen,
Zu dir her die nächt′ge Bahn.

Aber du aus dicht sich ballenden
Nebeln, wie ein Riesengeist,
Blickst hernieder zu dem wallenden
Kriegsvolk, wie es um dich kreist.

Da der alten Schlachtlust denkst du,
Deine Ader schwillt vor Zorn;
Einmal noch die Fahne schwenkst du,
Einmal stößst du noch ins Horn!

Langsam, weithin tönt der flutende,
Schwellende, gewalt′ge Schall –
So blies Roland, der verblutende,
In der Schlucht von Ronceval.

Wild indes, wie ums verwitternde
Felsenhaupt ein Wolkenzug,
Braust das Heer um deine zitternde
Steingestalt im Wirbelflug;

Und wie bei der Töne Rollen
Donnernd das Getümmel wallt,
In dem Sturm und Wettergrollen
Ist das kleine Jetzt verhallt!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Bildsäule Karls des Großen von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Bildsäule Karls des Großen“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine romantische Vision von der Wiederkehr Karls des Großen, eingebettet in ein tiefes Gefühl von Ernüchterung und Kritik an der zeitgenössischen deutschen Gesellschaft. Das Gedicht beginnt mit der Beschwörung Karls, der aus seinem Grab aufersteht, um sein Reich zu betrachten, und erzeugt eine Atmosphäre von Mystik und Erhabenheit. Die detaillierten Beschreibungen der Umgebung und der Erschaffung des Charakters, die Bilder des „abgrundtief-begrabnen Heldenleibes“ und der „Granitnen Thür“, betonen die monumentale Größe Karls und die Epoche, aus der er stammt.

Die zentralen Strophen des Gedichts sind von Karls Desillusionierung geprägt. Er schaut auf das Deutschland, das sich ihm zeigt, und stellt fest, dass es nicht das Reich ist, das er kannte oder sich erhofft hatte. Die Ironie wird durch die Fragen und die direkten Anreden verstärkt, die seinen Kummer über die Veränderungen der Nation zum Ausdruck bringen. Die Anspielungen auf das „Wappen“, das „zerstückte“ Purpurkleid und den „Gallierhahn“ (als Symbol Frankreichs) deuten auf die Zersplitterung Deutschlands und den Einfluss ausländischer Mächte hin. Karls Enttäuschung ist tiefgreifend, da er das Deutschland seiner Zeit nicht wiedererkennt.

Das Gedicht verlagert sich dann in eine Vision der Vergangenheit, in der Karls Heer aus den Gräbern aufersteht, um ihn zu begleiten. Diese Passage ist von einer düsteren Romantik geprägt, in der die Geister der Krieger erscheinen, und das Geräusch ihrer Waffen und Trompeten erklingt. Diese Szene wird durch die detaillierten Beschreibungen von Rüstungen, Bannern und dem Ruf des Horns von Roland verstärkt. Der Fokus liegt nun auf der glorreichen Vergangenheit, in der Karl und seine Krieger als Einheit für Ehre und Stärke standen.

Das Gedicht endet mit einem Aufruf zur Wiedergeburt der alten Kampfkraft. Karl, ergriffen von Zorn, entfacht mit einem letzten Schwung des Banners und einem letzten Hornstoß das Feuer des Kampfes neu. Das Gedicht endet mit einer Zusammenfassung, in der das „kleine Jetzt“ in dem Sturm und Grollen des Krieges untergeht. Das Gedicht ist damit mehr als nur eine Beschwörung der Vergangenheit, sondern eine Kritik an der Gegenwart und eine Sehnsucht nach den Werten und der Stärke, die in der Vergangenheit gefunden wurden.

Das Gedicht ist ein leidenschaftlicher Ausdruck der Sehnsucht nach einer vergangenen, idealisierten Epoche, verbunden mit einer kritischen Betrachtung der politischen und gesellschaftlichen Realität der Gegenwart. Die Verwendung von Bildern, Symbolen und historischen Referenzen erzeugt eine starke Atmosphäre und transportiert die Emotionen des Autors deutlich. Die Verwendung der Elemente der Romantik, wie die Natur und die geheimnisvollen Beschwörungen, in Kombination mit dem historischen Thema machen es zu einem faszinierenden Werk.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.