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Die beiden Prinzen

Von

Matt flackert die Lampe; der Kurfürst ringt
Am Bette des Sohnes die Hände
Und fleht, indes er den Liebling umschlingt,
Daß Rettung der Himmel sende.
O, muß ihm also zum erstenmal
Sein Friedrich Kummer bereiten?
Und immer noch will kein Hoffnungsstrahl
Durchs nächtige Dunkel gleiten!
Seitdem er am Lager des Kranken gewacht,
Ist das die dritte, schrecklichste Nacht.

Von Jubel hallen zur selben Zeit
Des Schlosses Erkergemächer;
Dort schwelgt, als höhnt′ er des Vaters Leid,
Prinz Rupert im Kreise der Zecher.
Lust leuchtet in aller Gäste Blick;
Stromweise gießen die Diener
In die Römer das duftende Kirchenstück
Und von Forst den goldnen Traminer,
Und fröhlich erschallt bei Becherklang
Das Gaudeamus im Rundgesang.

»Du mögst nun trauern,« – ruft einer aus –
»Die droben im alten Turme
Du einsam lange, o Fledermaus,
Gehaust mit dem Bücherwurme!
Bald ruht er, so kündet sein Horoskop,
Im Staube mit seinen Pandekten;
Uns aber stehen, dem Himmel sei Lob,
Die Zeichen in guten Aspekten;
Statt seiner, der Relegation uns schwur,
Erbt unser Gönner, Prinz Rupert, die Kur.«

»Ja, Rupert,« erhebt ein andrer das Glas,
»Weiß echte Verdienste zu ehren;
Laßt uns, ihr Freunde, das große Faß
Aufs Wohl des Trefflichen leeren!« –
»Hoch Rupert, der Kronprinz!« scholl es dann;
Die blinkenden Becher klangen,
Und der Prinz stieß mit den Zechern an;
Ihm glühten vom Weine die Wangen.
Im Kreise schweifte sein Blick: »Warum
Ist nur Graf Kuno so finster und stumm?«

Zu Boden starrt der Jüngling noch lang,
Umdüstert die Stirn und die Brauen;
Vom Munde dann quillt ihm mit dumpfem Klang
Die Stimme, zitternd von Grauen:
»Im Schloßhof gestern hielt ich die Wacht
Zunächst dem verrufenen Saale;
Trüb schimmerten durch die Dezembernacht
Die Sterne mit mattem Strahle;
Da drang – in Entsetzen fuhr ich empor –
Ein Gleiten von Tritten mir an das Ohr.

Auf die Klinke sah ich im Dämmergrau
Eine bleiche Hand sich legen;
Sie kam – sie war es – die weiße Frau
Trat durch die Thür mir entgegen.
Ich glaubte, scheu gepreßt an die Wand,
Das Wehn ihres Odems zu spüren;
Sie schritt mir vorbei mit erhobener Hand,
Vorbei an den Hellebardieren,
Und ein Flüstern ging von Mund zu Mund:
Sie thut Prinz Friederichs Sterben kund.«

Er schweigt. Erst schleicht ein banges Gemurr
Durch die Reihen der Zecher leise;
Bald dann Gaudeamus igitur
Tönt′s neu in dem jubelnden Kreise.
»Uns wählt, sobald er den Kurhut erbt,
Der Prinz zu Ministern und Räten.«
Doch sieh! mit wankendem Schritt, entfärbt,
Ist Rupert ans Fenster getreten!
Er sinkt zu Boden mit dumpfem Schrei,
Und alle stürzen besorgt herbei.

Starr liegt er; ihm fließt von den Lippen kein Laut;
Sie tragen hinweg ihn erschrocken.
Horch! eh noch im Osten es dämmernd graut,
Was hallen vom Turme die Glocken?
Prinz Rupert starb; ihm hatte den Tod
Die weiße Frau verkündet;
Als aber das leuchtende Morgenrot
Den Tag an den Bergen entzündet,
Hält freudeweinend der Kurfürst fest
Ans Herz den genesenen Friedrich gepreßt.

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Gedicht: Die beiden Prinzen von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die beiden Prinzen“ von Adolf Friedrich Graf von Schack entfaltet eine düstere Geschichte über Krankheit, Tod und Erbschaft, eingebettet in eine Atmosphäre von Hoffnung und Verzweiflung. Es erzählt von zwei gegensätzlichen Welten: der des sterbenden Prinzen Friedrich und der des feiernden Prinzen Rupert.

Im ersten Teil wird die hoffnungslose Situation des Kurfürsten am Krankenbett seines Sohnes Friedrich beschrieben, begleitet von Gebeten und bangem Warten auf Genesung. Kontrastierend dazu feiert Rupert im Schloss ein ausgelassenes Fest, bei dem das Unwohlsein des Vaters und die Krankheit des Bruders ignoriert werden. Die Zecher, getrieben von Habgier und Eigeninteresse, feiern bereits den Tod des kranken Prinzen und spekulieren über dessen Erbe. Die düstere Vorahnung des bevorstehenden Todes wird durch die Erwähnung der „weißen Frau“ verstärkt, die in der deutschen Mythologie oft den Tod ankündigt.

Der zweite Teil des Gedichts konzentriert sich auf die Reaktion der Zecher auf die Todesbotschaft. Der Zeuge des Geistes, Graf Kuno, berichtet von der Begegnung mit der weißen Frau, die den Tod von Friedrich ankündigt. Trotz des anfänglichen Schocks kehren die Zecher jedoch schnell zu ihrer Feier zurück, wobei sie ihre Hoffnungen auf die Macht und den Reichtum richten, die sie durch Rupert erwarten. Diese zynische Reaktion unterstreicht die moralische Verdorbenheit und das Fehlen von Empathie in der Umgebung der feiernden Prinzen.

Das unerwartete Ende des Gedichts führt zu einer unerwarteten Wendung. Rupert, der den Tod seines Bruders herbeigesehnt und gefeiert hat, stirbt plötzlich selbst. Die Ankündigung des Todes durch die weiße Frau erweist sich als wahr, aber das Ergebnis ist unvorhersehbar. Am Ende erwacht Friedrich, und der Kurfürst umarmt ihn freudig.

Das Gedicht ist somit eine eindringliche Auseinandersetzung mit Themen wie Tod, Erbschaft, Verdorbenheit und Hoffnung. Es zeigt, dass die Auswirkungen menschlichen Handelns oft komplex und unvorhersehbar sind, und dass Rache und Gerechtigkeit auf unerwartete Weise eintreten können. Der Kontrast zwischen den beiden Prinzen und ihren unterschiedlichen Welten dient dazu, die Moral der Geschichte zu verdeutlichen und die Folgen gieriger Ambitionen und mangelnder Moral hervorzuheben.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.