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Die seligen Inseln

Von

Wild war von der Parteien Hader
Das weite Römerreich entbrannt;
Fort trugen Heere, Schiffsgeschwader
Den Bürgerkrieg von Land zu Land;
Vergebens in Iberien suchte
Vor all dem Unheil, dem er fluchte,
Sertorius einen Zufluchtsort;
Schon nahten durch des Ostens Meere
Toddrohend ihm Pompejus′ Heere,
Und um ihn lauerte der Mord.

Einst am bemoosten Felsenhange,
An dem die Flut sich schäumend brach,
Saß er und sah dem Untergange
Der glüh′nden Sonne träumend nach.
Da siehe! plötzlich vor ihm standen
In leichten flatternden Gewanden
Zwei junge Schiffer, fremd von Tracht,
Und: »Niemals sah ich euresgleichen« –
Rief er erstaunt – »aus welchen Reichen,
Von welchen Küsten bringt ihr Fracht?«

Sodann die zwei: »O Herr, wir schifften
Von weitentlegnen Inseln her;
Grün sind dort immerdar die Triften,
Von Früchten stets die Aeste schwer;
Wenn ringsumher die Stürme wüten,
Dort schüttelt von den duft′gen Blüten
Ein sanfter Westwind kaum den Tau,
Und über grünen Laubenhallen,
Voll von Gesang der Nachtigallen,
Lacht immer klar des Himmels Blau.

Froh atmen dort die Atlantiden,
Wie in der alten goldnen Zeit;
Nie drang in ihren tiefen Frieden
Ein Ton von euerm Zwist und Streit;
Ihr Leben ist ein süßes Träumen
Auf Felshöhn bei der Meerflut Schäumen
Und in der Grotten Dämmerlicht,
Indessen in dem Wogenschlage
Sich fernehin der Erde Klage
Verhallend an den Klippen bricht.«

Sertorius ruft bei ihrer Rede:
»O Inseln, wer doch sorgenfrei
Auf euch der ew′gen Bürgerfehde
Entflöhe und der Tyrannei!
Ich, den selbst hier jenseits von Calpe,
Ja auf Helvetiens höchster Alpe
Der rauhe Mars nicht ruhen läßt:
Wär′ es der hohen Götter Wille,
Auf euch in Frieden und in Stille
Verlebt′ ich meiner Tage Rest.«

Drauf sie: »An des August Kalenden,
So that uns ein Orakel kund,
Läßt glücklich sich die Fahrt vollenden,
Vertraue denn dem Göttermund!
An jenem Tag, wenn aus den Wogen
Der Vollmond steigt am Himmelsbogen,
Verlaß auf unserm Boot dies Land,
Und, was dein Wunsch, wird dir beschieden;
Wir führen zum ersehnten Frieden
Dich an der sel′gen Inseln Strand.«

Die Schiffer so, indem sie scheiden;
Und, ohne daß es wer gewahrt,
Bereitet nach dem Wort der beiden
Sertorius sich für die Fahrt.
Sofort die Küste der Iberer
Verließ′ er gern, da schwer und schwerer
Schon über ihm das Wetter grollt;
Verrat bedroht ihn allerorten,
Und selbst in seines Heers Kohorten
Wirbt Mörder des Pompejus Gold.

Drauf an des Monats erstem Tage
War er im festgeschmückten Zelt
Mit den Genossen beim Gelage
Voll Frohsinn einmal noch gesellt.
Reich quoll aus prächtigen Amphoren
Der Wein, den Spaniens Glut gegoren,
Und keiner ahnte den Entschluß;
Doch, als der Abend niedertaute,
Ward einer, dem er ganz vertraute,
Von ihm entsendet, Manlius.

Hinab ans Ufer eilt der Knabe,
Geheim den Schiffern kund zu thun,
Bereitet für die Abfahrt habe
Sich Spaniens Heergebieter nun.
Allein am Strand, am Felsenhange,
Sucht er umsonst die beiden lange;
Die eine Antwort wird ihm nur:
»Dir träumte wohl! An unsern Küsten
Gewahrte keiner, daß wir wüßten,
Von solchen Schiffern eine Spur.«

Heim dann zum Zelte kam der Bote,
Und sieh! am Boden liegend fand
Er den Sertorius bleich wie Tote,
Erdolcht von der Verschwörer Hand!
Hernieder durch der Zeltwand Spalte
Fiel auf sein Angesicht, das kalte,
Vom Meere her des Vollmonds Schein.
Erfüllt war ihm der Götter Wille;
Zu Frieden ging er und zu Stille
An des August Kalenden ein.

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Gedicht: Die seligen Inseln von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die seligen Inseln“ von Adolf Friedrich Graf von Schack erzählt eine tragische Geschichte über den römischen General Sertorius und seine Sehnsucht nach Frieden in einer Zeit des Bürgerkriegs.

Das Gedicht beginnt mit einer düsteren Schilderung des römischen Bürgerkriegs, der Sertorius in die Enge treibt. Er flieht vor seinen Feinden und sucht verzweifelt nach einem Zufluchtsort. In dieser Not begegnet er zwei mysteriösen Schiffern, die von den „seligen Inseln“ erzählen, einem Ort ewigen Friedens und Glücks. Diese Inseln werden als Gegenpol zur kriegerischen und von Intrigen geprägten Welt beschrieben, in der sich Sertorius befindet. Die Schiffer versprechen ihm, ihn zu den Inseln zu bringen, wenn er ihren Anweisungen folgt.

Sertorius, gequält von Krieg und Verrat, ergreift diese Hoffnung. Er bereitet heimlich seine Flucht vor. Doch die Geschichte nimmt eine tragische Wendung. Bevor er die Reise antreten kann, wird er von Verschwörern ermordet. Der Vollmond, der das Zeichen für seine Reise zu den Inseln hätte sein sollen, scheint nun auf seinen leblosen Körper.

Die „seligen Inseln“ repräsentieren eine Utopie, ein Ideal des Friedens und der Ruhe, nach dem sich Sertorius sehnt. Sie sind ein Kontrast zur Realität des Bürgerkriegs und des Verrats. Die Ironie der Geschichte liegt darin, dass Sertorius den Frieden erst im Tod findet. Die Götter scheinen seinen Wunsch, den Krieg zu verlassen, erfüllt zu haben, aber auf eine grausame und unerwartete Weise. Das Gedicht ist somit eine Reflexion über die Vergeblichkeit menschlichen Strebens nach Frieden und die Unberechenbarkeit des Schicksals.

Die Sprache des Gedichts ist gehoben und klassizistisch, typisch für die Romantik. Es verwendet viele rhetorische Fragen und bildhafte Beschreibungen, um die Atmosphäre von Sehnsucht und Tragik zu erzeugen. Die Struktur ist narrativ, mit einem klaren Handlungsverlauf, der sich bis zum schockierenden Ende entfaltet. Die Geschichte dient als eine Allegorie über die Suche nach Frieden, die in einer Welt der Konflikte oft unerreichbar bleibt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.