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Die Schwäne

Von

Die ihr vor mir, schöne Schwäne,
Auf der Wogen Flut euch wiegt,
Silbern schimmert eu′r Gefieder,
Doch in eurer Brust der Lieder
Süßer Quell, den der Hellene
Oft gepriesen, ist versiegt.

Einst am Strome des Kayster,
Wo die Sonne heller tagt
Und der göttlichen Geschwister
Tempel zwischen Myrten ragt,
Lieblich tönten eure Stimmen
Zu der Musen Saitenspiel,
Wenn des Frührots erstes Glimmen
Durch die Cedernwipfel fiel.
Hin mit Steigen und mit Schwellen
Glitt eu′r Hymnus auf den Wellen,
Sel′ge Lieblinge Apolls!
Horch! und an den Flußgestaden
Ringsum von der Oreaden
Lippen wie Gebethauch quoll′s,
Und die Luft begann zu strahlen;
Hallend that sich auf das Thor,
Und auf goldenen Sandalen
Trat der schöne Gott hervor!
Nun verbannt, ihr Südbewohner,
Unter unser Wolkengrau,
Fern dem Lande der Joner
Und dem sel′gen Himmelsblau,
Ach! verlort ihr selbst die schöne
Mitgift der Natur, die Töne!
Um eu′r Teuerstes betrogen,
Wie so still ihr auf den Wogen,
Lautlos eure Kreise zieht!
Bei dem feuchten Nebelschauer
Ringt, zu lindern eure Trauer,
Sich aus eurer Brust kein Lied.

Selig ist, wem des Gesanges
Trost ein milder Gott verlieh!
Ob ihm Weh das Herz zerwühle,
Ob es juble – der Gefühle
Jedes wird ihm süßen Klanges
Auf dem Mund zur Melodie.
Aber wehe, wenn das schnöde
Schicksal ihm sein Bestes raubt!
In des Daseins Winteröde
Steht er mit gebeugtem Haupt;
Und die Freude, die wie stummer
Gram an seiner Seele nagt,
Gäb′ er gerne für den Kummer,
Den er sonst im Lied geklagt!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Schwäne von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Schwäne“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine melancholische Reflexion über den Verlust der Inspiration und die Sehnsucht nach einer vergangenen, idealisierten Zeit. Das lyrische Ich betrachtet Schwäne, die still und wortlos auf den Wellen treiben und einst durch ihren Gesang die Welt verzauberten. Der Kontrast zwischen der einstigen Pracht und dem gegenwärtigen Zustand der Stummheit, der durch die verlorenen „Töne“ zum Ausdruck gebracht wird, bildet das zentrale Motiv des Gedichts.

Im ersten Teil des Gedichts wird die Vergangenheit der Schwäne beschworen: Ihr Gesang am Kayster-Strom, in der sonnenverwöhnten Landschaft der griechischen Antike. Die detaillierten Beschreibungen der Szenerie – „Tempel zwischen Myrten“, „Musen Saitenspiel“, „goldenen Sandalen“ – dienen dazu, eine Welt der Schönheit, des Gesangs und der göttlichen Inspiration zu evozieren. Die Schwäne waren einst „sel′ge Lieblinge Apolls“, ihre Lieder hallten wider und erfreuten die Götter und die Natur. Der Verlust dieser Welt, dargestellt durch die Verbannung in eine trübe, wolkenverhangene Umgebung, wird als tiefer Einschnitt erlebt.

Der zweite Teil des Gedichts konzentriert sich auf die gegenwärtige Situation und die damit verbundene Tragik. Die Schwäne haben ihre Fähigkeit zu singen verloren und ziehen lautlos ihre Kreise. Dies wird als Metapher für den Verlust der künstlerischen Inspiration interpretiert, für das verstummte Talent und die Leere, die zurückbleibt. Die letzten Verse dieses Abschnitts vergleichen das Schicksal der Schwäne mit dem des Dichters, der durch das „schnöde Schicksal“ seiner besten Gaben beraubt wurde und nun im „Winteröde“ des Daseins steht.

Schacks Gedicht ist ein Appell an die Kunst und ihre Bedeutung für die menschliche Seele. Es verdeutlicht, wie tiefgreifend der Verlust der kreativen Kraft ist und wie sehr der Mensch unter dem Verlust der Fähigkeit leidet, seine Gefühle in Worte und Melodien zu fassen. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit und dem goldenen Zeitalter der Inspiration wird durch die elegische Stimmung und die klaren, einfachen Verse verstärkt. Das Gedicht ist nicht nur eine Reflexion über den Verlust des Gesangs, sondern auch ein Plädoyer für die Kunst als Quelle des Trostes und der Freude, die das Leben selbst im Angesicht von Leid und Verlust bereichern kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.