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Neue Fibelverse

Von

A.
Der Adler raubt und frißt gar viel;
Der Adel trieb ein arges Spiel.

B.
Der Bär liegt auf der Bärenhaut,
Der Bundestag ist bald ergraut.

C.
Ein Carcer ist ein finstres Loch;
Ein Mensch sogar wird Censor noch.

D.
Das Denken, oft dem Denker schadt′s;
Der Dummkopf lebt in bona pac′.

E.
Das Eichhörnchen hüpft froh und nett;
Von Eisen fertigt man die Kett.

F.
Zum Flügel thuen Federn noth;
Die Freiheit gab der liebe Gott.

G.
Nicht gut ist oft Gold, Glanz und Gunst,
Göthe that viel für die Kunst.

H.
Der Herr zum Hund spricht: ducke dich!
Wer Herz hat, hebt zum Himmel sich.

I.
Die Ironie schafft Manchem Qual;
Jesuiten sind mein Ideal.

K.
Der König hat die Krone auf;
Die Krankheit geht den alten Lauf.

L.
In freier Lust die Lerche singt;
Das Lastthier auf der Erde hinkt

M.
Millionen lenkt die Majestät;
Nach Mitternacht zeigt der Magnet.

N.
Die Noth bricht Eisen, heißt der Spruch;
Nun, Zweifler, sagt das nicht genug?

O.
Die Ochsen, die sind nicht gescheidt;
O schreit man, es ist noch nicht Zeit!

P.
Der Pudel geht im Pelz umher;
Ich haß′ Pedant und Philister.

Q.
Suchst du die Q im Menschenstall,
Du find′st kaum mehr als Quark und Qual.

R.
Rückwärts geht immer nur ein Thor;
Revolutionen kommen vor.

S.
Das Schaf; das schweigt, wenn man es scheert;
Zur Schlacht benutzt man oft das Schwert.

T.
Trompet′ und Trommel lustig tönt;
Der Teufel nur der Tränen höhnt.
U.

Vom Uebel ist, was drüber ist,
Und daß dies unten man vergißt.

V.
Die Vettern und Verwandten sind
Von Vortheil immer noch, mein Kind!

W.
Wahrheit verfliegt nicht in der Luft;
Wer nicht sein Wort hält, ist ein Schuft.

Z.
Der Zügel nützt bei Pferden viel;
Der Geist der Zeit kommt doch zum Ziel.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Neue Fibelverse von Adolf Glaßbrenner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Neue Fibelverse“ von Adolf Glaßbrenner ist eine Sammlung von alphabetisch geordneten, kurzen Reimpaaren, die scheinbar einfache Beobachtungen und sentenzartige Aussagen verbinden. Jedes Reimpaar steht für sich und scheint keinen direkten inhaltlichen Zusammenhang mit den anderen zu haben. Diese Fragmentierung ermöglicht es Glaßbrenner, eine Vielzahl von Themen anzuschneiden, von Naturbetrachtungen über soziale Kommentare bis hin zu politischen Anspielungen. Die Struktur eines ABC-Gedichts, wie es hier vorliegt, verleiht dem Werk eine spielerische Leichtigkeit und ermöglicht es dem Autor, seine pointierten Bemerkungen in einer scheinbar unbeschwerten Form zu präsentieren.

Die Vielseitigkeit der behandelten Themen ist bemerkenswert. Glaßbrenner springt von der Beschreibung des Adlers und des Adels (A) zu politischen Andeutungen über den Bundestag (B) und das Zensurwesen (C). Er reflektiert über das Denken und die vermeintliche Glückseligkeit der „Dummköpfe“ (D), während er gleichzeitig die Notwendigkeit der Freiheit (F) betont. Es gibt Hinweise auf Kunst und Kultur (G), soziale Hierarchien (H), persönliche Abneigungen (P) und politische Entwicklungen (R). Diese Bandbreite an Themen deutet darauf hin, dass Glaßbrenner versucht, in einer begrenzten Anzahl von Zeilen ein möglichst breites Spektrum an Aspekten des menschlichen Lebens und der Gesellschaft anzusprechen.

Ein subtiler roter Faden, der sich durch die Verse zieht, ist die Gesellschaftskritik, die sich in vielen der Reimpaare manifestiert. Glaßbrenner nimmt sich auf satirische Weise dem Adel (A) und den „Vettern und Verwandten“ (V) an, kritisiert die „Ironie“ (I), die „Pedanten und Philister“ (P) und die „Quark und Qual“ (Q), die man im „Menschenstall“ findet. Diese Beobachtungen zeigen eine kritische Haltung gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen und Phänomenen. Die Betonung von „Freiheit“ (F) und „Wahrheit“ (W) unterstreicht zudem Glaßbrenners Wertevorstellungen und seine Ablehnung von Unterdrückung und Ungerechtigkeit.

Die Kürze der Verse und der Gebrauch von Reimen verleihen dem Gedicht eine einprägsame Qualität. Die einfachen Worte und die klare Struktur machen die Aussagen leicht verständlich, während die Reime eine gewisse Musikalität erzeugen. Dies trägt dazu bei, dass die pointierten Aussagen des Autors besser im Gedächtnis bleiben. Trotz der scheinbaren Einfachheit ist das Gedicht vielschichtig und bietet eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten, da es durch seine alphabetische Ordnung keine klare Erzählstruktur aufweist. Es ist ein Kaleidoskop von Beobachtungen und Reflexionen, das dazu einlädt, über die einzelnen Verse und ihre Implikationen nachzudenken.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.