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Die längste Nacht

Von

Von des längsten Tages Helle
War mir noch der Sinn bestrickt;
Gern an seines Lichtes Quelle
Hätt′ ich ewig mich erquickt.

Doch die Nächte wurden länger,
Und das Dunkel stieg und stieg;
Engre Kreise, immer enger
Zog die Sonne, matt und siech.

Selbst der Himmel schien zu trauern,
Daß die Strahlenpracht verglüht,
Und inmitten finstrer Mauern
Mich verbarg ich lebensmüd.

Nun wie anders alles! Nicht mehr
Sehn′ ich mir zurück den Tag,
Da allhin, ein wallend Lichtmeer,
Sonnenglanz auf Erden lag.

Schöner nun zu tausend Malen
Unter schneebedecktem Dach
Glänzt von zweier Augen Strahlen
Mir dies nächtliche Gemach.

Weich hält mich ein Arm umwunden,
Und zwei Lippen flüstern sacht:
Mit den dunklen, dunklen Stunden
Sei gesegnet, längste Nacht!

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Gedicht: Die längste Nacht von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die längste Nacht“ von Adolf Friedrich Graf von Schack beschreibt eine Metamorphose von Trauer und Hoffnungslosigkeit zu Liebe und Geborgenheit. Im ersten Teil des Gedichts wird die Sehnsucht nach dem Sommer und dem Licht ausgedrückt, symbolisiert durch die längsten Tage und das helle Sonnenlicht. Der Dichter hadert mit dem Verlust dieser Helligkeit und dem Anbruch der dunklen, kürzer werdenden Tage. Die Worte „engre Kreise, immer enger / Zog die Sonne, matt und siech“ vermitteln ein Gefühl der Enge und des Absterbens, das mit der schwindenden Sonne einhergeht. Der Dichter zieht sich in ein Gefühl der Lebensmüdigkeit zurück, in dem die Welt von „finstrer Mauern“ umschlossen erscheint.

Der Wendepunkt im Gedicht markiert einen entscheidenden Wandel in der Wahrnehmung des Dichters. Die anfängliche Trauer weicht einem Gefühl der Dankbarkeit und des Glücks, das durch die Dunkelheit der Nacht offenbar wird. Das Licht der Sonne wird durch das Licht „zweier Augen“ ersetzt, was die Macht der Liebe und der menschlichen Nähe als Quelle der Wärme und des Trostes hervorhebt. Die metaphorische Bedeutung der „längsten Nacht“ wird verändert. Sie ist nicht länger ein Synonym für Trauer und Isolation, sondern wird zu einem heiligen Moment der Vereinigung und des Glücks. Der Dichter findet Trost und Erfüllung in der Dunkelheit, die durch die Gegenwart der geliebten Person erhellt wird.

Die Sprache des Gedichts spiegelt diesen Wandel wider. Die anfänglichen Strophen sind von einer melancholischen Tönung geprägt, die durch Wörter wie „trauern“, „lebensmüd“ und „Dunkel“ erzeugt wird. In den späteren Strophen wird die Sprache wärmer und zärtlicher. Die „zweier Augen Strahlen“ und das „weiche“ Umarmen vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrautheit. Die Schlusszeile „Mit den dunklen, dunklen Stunden / Sei gesegnet, längste Nacht!“ ist ein starkes Bekenntnis zum Wert der Liebe und zur Akzeptanz der Dunkelheit als Mittel zur inneren Erleuchtung.

Das Gedicht kann als eine Metapher für die Suche nach Glück und Sinn in der Welt interpretiert werden. Es zeigt, dass das Glück nicht ausschließlich in äußeren Umständen, wie dem Sonnenlicht, gefunden werden kann, sondern auch in der menschlichen Verbindung und der Fähigkeit, selbst in dunklen Zeiten Licht zu finden. Die „längste Nacht“ wird durch die Liebe zu einem gesegneten Zustand, der die Dunkelheit in etwas Schönes und Wertvolles verwandelt. Das Gedicht feiert somit die transformative Kraft der Liebe und die Fähigkeit des Menschen, Hoffnung in den dunkelsten Momenten zu finden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.