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Der Jubelgreis

Von

Meiner Kindheit frühster Lehrer,
Meiner Jugend Freund und Rat!
Gerne wohl als Freudenmehrer
Wär′ ich diesem Fest genaht,
Dem dein Herz, in sich beseligt,
Jugendlich entgegenschlägt,
Ob es gleich des Alters Schneelicht
Bleich auf deine Stirne legt.

Hätt′ ich Oden, leicht von Takte,
Flaccus′ Lieder und Catulls,
Die beim Schneeglanz des Sorakte
Flügelten den trägen Puls,
Hätt′ ich Rosen von Präneste
Oder Trauben von Falern,
O Geliebter, dir zum Feste
Brächt′ ich solche Spenden gern.

Aber ach, was kann ich bringen,
Ich, der Bettler, deinem Herd?
Gleichwie mit gebrochnen Schwingen
In das Nest der Vogel kehrt,
Müde so, ein irrer Wandrer,
Kehr′ ich von der Lebensbahn;
O fürwahr, ich bin ein andrer,
Als da wir zuletzt uns sahn.

Kennst du mich nicht mehr, mein Alter,
Nicht den Knaben, hoffnungsfroh,
Welcher munter wie ein Falter
Deiner Vaterhut entfloh?
Düster steht er nun, ein Stummer,
An des Erdenglückes Grab,
Und der Nächte öder Schlummer
Löst den Gram der Tage ab.

Doch genug! In meiner Blindheit
Seh′ ich nicht, was mich umgiebt?
Nicht die Stätte meiner Kindheit,
Wo ich jeden Platz geliebt?
Hier die Halle, dort das Estrich,
Alles grüßt mich so vertraut,
Und der Tag bedünkt mich gestrig,
Als ich sie zuletzt geschaut.

Ja, wie sich die Lüfte klären,
Lacht der Himmel wieder blau,
Und im Auge mir die Zähren
Wandeln sich in Freudentau;
Auf der Lippe stirbt das Klaglied,
Und mein Sang, geliebter Greis,
Fröhlich, wie der Lerche Taglied,
Töne nur zu deinem Preis.

O der Zeit, sie war so selig,
Als mich Dämmrung noch umwob,
Und durchs Zwielicht sich allmählich
Meines Lebens Sonne hob,
Wie du da, ein früher Klopfer,
Mich den Schlaf zu scheuchen batst,
Und mit mir zum Morgenopfer
In den Griechentempel tratst!

Wie der Hymnus, Zeus gewidmet,
Der Gesang des Pindaros,
Dann in Worten, schöngerhythmet,
Ueber unsre Lippen floß,
Wie für ihn, der goldenthronig,
Mit der Leier prangt, Apoll,
Süßer als Hymettushonig
Dir der Preis vom Munde quoll!

Wie du mir, da noch der Kreisel
Unter meinem Schlage flog,
Und ich schweifend, wie ein Weisel,
Neben dir das Feld durchzog,
In den Blüten und im Laube
Deutetest den großen Geist,
Der im kleinsten Sonnenstaube
Wie in den Planeten kreist!

O wie oft, wenn uns zu Häupten
Ihren Kelch die Nacht erschloß
Und ein Meer von hingestäubten
Welten durch die Himmel goß,
Stand ich da in heil′gem Schauer,
Während du, zu mir geneigt,
Jeden Stern in dunkelblauer
Aetherferne mir gezeigt!

Wenn der Blick dann durch die lichten
Höhen mit dem Sehrohr klomm,
Bis aus den zerteilten Schichten
Neue Weltenfülle glomm,
O wie ward sich da mein kleines
Herz der Ewigkeit bewußt!
O wie sank ich nicht an deines,
Neu gestählt für Leid und Lust!

Ja, Geliebter, überschwenglich
Fühl′ ich mich in deiner Schuld!
Alles gab, was unvergänglich
In mir ist, mir deine Huld.
Der du mir den Becher randvoll
Fülltest mit der Liebe Trank,
Ach! was hab′ ich eine Handvoll
Staubes nur für dich zum Dank!

Mag der Himmel, der Vergelter,
Jeden Lenz dein Glück erneun!
Mag der Herbst auf deine Kelter
Seine vollsten Trauben streun,
Und aus Krügen, schön von Henkel,
Eh dein Auge Nacht umhüllt,
Sei von Enkeln deiner Enkel
Dir das letzte Glas gefüllt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Jubelgreis von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Jubelgreis“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine liebevolle Huldigung an einen alten Lehrer und Mentor. Das Gedicht, das in der Form eines Lobliedes verfasst wurde, drückt tiefe Dankbarkeit und Verehrung für die Person aus, die dem Ich-Erzähler in seiner Jugend Orientierung und Bildung vermittelte. Es ist ein Rückblick auf die Vergangenheit, geprägt von Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse, die das Leben des Erzählers nachhaltig prägten. Die Struktur des Gedichts, in dem verschiedene Erinnerungen und Gefühle miteinander verwoben sind, zeugt von der Wertschätzung des Erzählers für die gelehrte Person.

Der Erzähler beginnt mit einem Ausdruck von Freude und dem Wunsch, am Fest des Jubilars teilzunehmen, wird jedoch durch seine eigene Bescheidenheit und die Erkenntnis der eigenen Verarmung gebremst. Dies deutet auf einen Wandel im Leben des Erzählers hin, möglicherweise durch Widrigkeiten oder den Lauf der Zeit verursacht. Der Vergleich mit einem Vogel, der mit gebrochenen Schwingen ins Nest zurückkehrt, unterstreicht das Gefühl der Erschöpfung und des Verlustes, das den Erzähler erfasst hat. Trotz dieses inneren Konflikts und der eigenen Vergänglichkeit des Erzählers, überwiegt die Dankbarkeit und die Freude über die Wiederbegegnung mit dem geliebten Lehrer.

Die zweite Hälfte des Gedichts ist von lebendigen Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit geprägt. Der Erzähler erinnert sich an die Jugend, die Lehrstunden, die Beobachtung der Natur, und das Erforschen des Himmels. Die detaillierten Beschreibungen, wie die gemeinsamen Lektionen, die Verwendung eines Fernrohrs, um die Sterne zu beobachten, lassen die tiefe Verbundenheit zwischen Lehrer und Schüler erahnen. Das Gedicht zeugt von der nachhaltigen Wirkung des Lehrers auf das Weltbild des Erzählers, wie er die „Ewigkeit“ in den Sternen erblickte.

Die letzten Strophen sind von großer Dankbarkeit und dem Wunsch nach Wohlstand für den Jubilar geprägt. Der Erzähler drückt die tiefe Dankbarkeit für die unvergänglichen Werte aus, die er durch seinen Lehrer empfangen hat. Die Zeilen sind von einem Gefühl der Ehrfurcht und Liebe durchzogen, und der Erzähler wünscht dem Lehrer Glück, Gesundheit und ein langes Leben, sowie die Erfüllung, durch seine Enkel geehrt zu werden. Das Gedicht endet mit dem Ausdruck tiefer Verehrung und dem Wunsch, dass der Lehrer weiterhin das Leben in vollen Zügen genießen möge, ein schöner Schluss einer Ode der Dankbarkeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.