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Burg Rodenstein

Von

Jahre sind′s, und doch mit Schauern
Denk′ ich noch an jene Stunden,
Da wir in den düstern Mauern
Deiner Ahnenburg gehaust,
Jener Burg, in deren Türmen
Sonst allein die Dohlen nisten,
Die der Hauch von Winterstürmen
In Novembernacht durchsaust.

Finster hängt sie, zeitgetroffen,
An des Bergen kahlem Scheitel,
Ringsum Wüste, nur am schroffen
Felsenhang ein Föhrenhain;
Ihre Zinnen, spukhaft ragend,
Sieht der Wanderer mit Beben,
Und des Kreuzes Zeichen schlagend
Spricht er: Das ist Rodenstein!

Aber wir, das nächt′ge Grauen
Und der Vorzeit Reste liebend,
Weilten oft noch spät im rauhen
Herbstmond auf dem öden Riff,
Jubelten, wenn auf dem Erker
Wild die Wetterfahnen krachten
Und der Nordwind stark und stärker
Durch die Bogenfenster pfiff.

Nachts, das Holz in Haufen schichtend,
Wachten wir im alten Saale,
Und, das Dunkel um uns lichtend,
Schürten wir die Flammen an;
Siehe! und mit hellem Lohen
Schlug die Glut an das Gewölbe,
Daß sie tropfend von den hohen
Bogengurten niederrann;

Und am Feuerbrande kauernd,
In der Hand den Becher Weines,
Hörten wir den Nachtsturm schauernd
Fegen durch den Bogengang,
Wie er an der Wand die Wappen
Und die Rüstungen bewegte,
Und das Schloßthor sich mit Klappen
In den ehrnen Angeln schwang.

Leise da vom Rodensteiner
Sprachest du, dem Fluchbeladnen,
Und, erfüllt vom Schauer deiner
Sage, späht′ ich durch den Saal;
»Hörst du dort nicht Schritte schleichen?«
Fragt′ ich dich mit banger Stimme,
Und es traf von meinem bleichen
Antlitz dich der blasse Strahl.

Ja! Es war kein Traum! Ein Krachen
Bebte durch den Bau der Erde,
Und ein Höllengeisterlachen
Schlug uns gellend an das Ohr;
Blaue Flammen, wie von Schwefel,
Zuckten durch den Saal und leckten
Am Gesimse und Getäfel
Züngelnd bis zum Dach empor.

Horch! Daher vom Schnellartgipfel
Scholl es wie Gebell von Rüden
Durch den Sturz der Tannenwipfel
Und den heulenden Orkan;
Hörner dröhnten; aus der Fuge
Sprangen mit Gekrach die Thore,
Und im sturmgepeitschten Fluge
Zog die wilde Jagd heran.

Rehe, denen zu den Knöcheln
Dicke Tropfen Blutes rannen,
Hirsche flohn mit Todesröcheln
Uns im hast′gen Lauf vorbei;
Eber folgten, grimme Keuler,
Schnaubend und die Hauer wetzend,
Und durch das Getob der Heuler
Scholl des Jägers Wutgeschrei.

Dann, auf schwarzem Rosse birschend,
Kam er selbst, der Gottverhaßte,
In dem Grimm der Hölle knirschend,
Blaß wie menschgewordner Tod;
Düster in den Höhlen flammten
Seine Augen, und es glühte
Ihm das Brandmal der Verdammten
Auf der Stirne blutigrot.

»Ewig! ewig! Nie Erlösung
Vom jahrhundertalten Fluche?
Werd′ ich, heilende Verwesung,
In dein Bahrtuch nie gehüllt?
Muß ich′s ewig, ewig künden,
Daß der Becher überflutet,
Wenn der Mensch mit seinen Sünden
Ihn bis an den Rand gefüllt?«

Sprach′s und schwand. Mit Händeringen
Folgt′ ein marmorbleiches Weib ihm;
Braune Lockenhaare hingen
Um ihr Antlitz sturmverweht;
Auf den gramzerstörten Zügen
Schien ein matter Dämmerschimmer
Noch vom Reich des Lichts zu liegen,
Wie ein sterbendes Gebet.

Rettungflehend hob nach oben
Sie den Blick, doch mit Gelächter
Wälzte sich und wüstem Toben
Um sie her die grause Jagd;
Und, gleich wie mit eh′rner Klammer
An den Gatten festgeschmiedet,
Schwand sie unter stummem Jammer
In die hoffnungslose Nacht.

Drauf in immer wirrern Knäulen
Kam ein Schwarm von Nachtgevögel;
Glühen Auges schwirrten Eulen
In dem mißgeschaffnen Zug;
Molche, schuppiges Gewürme
Folgten dann und Flügelschlangen,
Die der Hauch der Wirbelstürme
Kreisend auf und nieder trug.

So bei lautem Hörnergellen
Zog die wilde Jagd vorüber;
Fern und ferner scholl das Bellen,
Bis es in dem Dunkel schwieg;
Und du sprachest, dich erhebend:
»Wenn der Rodensteiner auszieht,
Naht auf Sturmesflügeln schwebend
Wetterschwanger sich der Krieg.

Weh, Europa! Schon von ferne
Seh′ ich sich die Wolken ballen,
Seh′ beim Leuchten trüber Sterne,
Eingehüllt in Pulverdampf,
Deinen Städten, deinen Reichen
Schon den Würgeengel nahen
Und in Bergen deine Leichen,
Aechzend unter Roßgestampf.«

Also sprachest du, und betend
Wandt′ ich mich zum Morgenlichte,
Das, die finstern Hallen rötend,
Durch die Bogenfenster quoll,
Während matten Scheins die Scheite
Die die Nacht erhellt, erloschen,
Und der Glocken Frühgeläute
Aus dem nahen Kloster scholl.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Burg Rodenstein von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Burg Rodenstein“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine romantische Ballade, die Elemente des Übernatürlichen und des Geschichtsdeutlichen verbindet. Es entfaltet sich in einem düsteren, fast gotischen Ambiente und erzählt von einer unheimlichen Begegnung in der Burg Rodenstein. Der Erzähler und ein Freund, die beide die Faszination des Vergangenen teilen, erleben eine Vision der wilden Jagd, eingebettet in die Geschichte der Burg und ihre Legenden.

Die Atmosphäre des Gedichts wird durch detaillierte Beschreibungen der verfallenen Burg, der stürmischen Natur und der nächtlichen Umgebung erzeugt. Die Burg selbst, als „zeitgetroffen“ und „finster“ beschrieben, wird zum Zentrum des Geschehens, umgeben von einer unwirtlichen Landschaft, die das Gefühl der Isolation und des Unbehagens verstärkt. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten, von flackernden Flammen und tiefem Dunkel, trägt zur Erzeugung einer beklemmenden Stimmung bei. Der Einbruch der Nacht und das Aufziehen eines Sturms verstärken die Dramatik und die Erwartung des Unheimlichen.

Das zentrale Ereignis ist die Erscheinung der wilden Jagd, eine Szene, die von einer Vielzahl von Bildern geprägt ist. Der Anführer der Jagd, der Rodensteiner selbst, erscheint als verfluchter und verdammt wirkender Geist, begleitet von gruseligen Kreaturen und einer düsteren Prophezeiung. Diese Vision ist geprägt von Chaos, Gewalt und dem Gefühl des Verfalls, was durch die detailreichen Beschreibungen der Tiere und des Jägers verstärkt wird. Die Dialoge und Monologe zwischen dem Erzähler, seinem Freund und dem Rodensteiner vermitteln das Gefühl der Verzweiflung und des Fluches, der über der Burg und ihren Bewohnern lastet.

Das Gedicht verbindet die lokale Sage von der wilden Jagd mit einer weitreichenden politischen und historischen Voraussage. Die Vision des Rodensteiners endet mit einer düsteren Prophezeiung über Krieg und Zerstörung in Europa. Der Übergang von der lokalen Geistergeschichte zur globalen politischen Vision deutet darauf hin, dass die historischen Ereignisse, die durch das Gedicht angedeutet werden, untrennbar mit dem Fluch verbunden sind, der über der Burg Rodenstein lastet. Dieses Motiv des Vorboten von Unheil und Krieg unterstreicht die Bedeutung der historischen Ereignisse und verleiht dem Gedicht eine zusätzliche, tiefere Ebene.

Die abschließenden Strophen, in denen der Morgen und die Glocken des Klosters eine neue Perspektive eröffnen, bieten einen Kontrast zur beklemmenden Vision. Der Übergang vom nächtlichen Schrecken zum Tageslicht suggeriert jedoch keine Erlösung, sondern lässt die Furcht vor dem kommenden Krieg fortbestehen. Das Gedicht, trotz seiner romantischen Elemente, ist ein düsteres Werk, das die Verbindung von Geschichte, Mythos und der menschlichen Erfahrung von Furcht und Verderben auf eindrucksvolle Weise darstellt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.