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Bei Troja

Von

Nun aus der Urwelt trüben Dämmerungen,
In die vor Menschenblick und Tageslicht
Dich die Jahrtausende hinabgeschlungen,
Auf steigst du wieder; nein, du selber nicht –
Von jenem Troja, das Homer besungen,
Begraben in Ruinen, Schicht auf Schicht,
Ist, zu Atomen von der Zeit zerrieben,
Ein Aschenrest allein zurückgeblieben.

Getürmt, seitdem am rauschenden Skamander
Des Priam stolzer Königsbau geragt,
Hier haben sich die Reiche aufeinander;
Das eine bröckelte, zu Staub zernagt,
Dem andern nach, und schon als Alexander
Am Grabeshügel des Achill geklagt,
Versunken in das trümmerübersäte
Blachfeld längst warst du unter andre Städte.

Die schwarze Spur von Qualm und Flammenbrand
Nur kündet, daß die Sage keine Lüge
Von dem verheerten Ilion, das hier stand;
Dazwischen liegen Spangen, Thränenkrüge,
Goldreife, die der Kön′ge Haupt umspannt,
Zerstückt sie all; und halberloschne Züge
Auf eh′rnen Opferschalen, die zerbrachen,
Noch stammeln stumm in lang verklungnen Sprachen.

Doch unten tiefer, wo sich selbst zum bleichen
Zwielicht die Nacht empor nicht ringen kann,
Ahn′ ich den Staub von ganzer Völker Leichen,
Und wie Verwesungsduft haucht es mich an
Von Königen, die kein Erinnrungszeichen
Auf Erden ließen; eh dein Tag begann,
Verklungen war selbst in der Sagen Munde
Von ihnen und von ihrem Reich die Kunde.

Wer mag, wie tief die Gräber reichen, wissen?
Wär′ uns zu Füßen eine Riesenkluft
Hinab bis in der Erde Herz gerissen,
Wir sähen eine ungeheure Gruft,
Und noch bis aus den tiefsten Finsternissen
Entgegen quöll′ uns feuchte Grabesluft
Und Moderdunst der stummen, unzählbaren
Geschlechter, die vor uns auf Erden waren.

Mir ist, als hört′ ich durch verschollne Tage,
Den schwarzen Abgrund namenloser Zeiten,
Die keiner kennt, mit leisem Flügelschlage
Den Tod hin ob der Völker Häuptern gleiten,
Als schöll′ ans Ohr mir ihre Sterbeklage,
Wie sie im Trauerzug vorüberschreiten
Und in das dunkle Reich, die weiten Hallen,
Die allen aufgethan, hinunterwallen.

Und ob die Zukunft zu Gigantenjahren
Anschwellen mag, der alte Kreislauf bleibt,
Der ruhelos auf Wiegen und auf Bahren
Hinauf, hinunter alles Leben treibt,
Bis selbst mit allen seinen Wesenscharen
Das Erdenrund in blassen Dunst zerstäubt,
Daß wieder sich der Nebel im Erkalten
Zum Wohnplatz forme neuer Staubgestalten.

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Gedicht: Bei Troja von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bei Troja“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine tiefgründige Reflexion über Vergänglichkeit, den Kreislauf von Werden und Vergehen sowie die Bedeutung der Geschichte. Es beginnt mit der eindringlichen Beschwörung des antiken Troja, das aus den Tiefen der Vergangenheit wieder auftaucht, nicht in seiner ursprünglichen Form, sondern als zerriebene Asche. Das Gedicht fokussiert sich nicht auf das glorreiche Troja Homers, sondern auf die Ruinen, die Überreste und die Spuren, die von vergangenen Zivilisationen zurückblieben. Es thematisiert die Zerstörung durch Zeit und Krieg und die daraus resultierende Erkenntnis der Nichtigkeit menschlichen Strebens.

In den folgenden Strophen wird die Geschichte der Stadt nachgezeichnet, von der Blütezeit bis zu ihrem Untergang, immer wieder überlagert von neuen Zivilisationen, die ebenfalls dem Verfall zum Opfer fallen. Schack malt ein Bild der menschlichen Existenz als stetiges Auf und Ab, ein Spiel von Aufstieg und Fall, das sich in den Trümmern widerspiegelt, die als Zeugen vergangener Pracht und menschlichen Leids dienen. Der Dichter beschreibt die Artefakte, die von der einstigen Größe und den menschlichen Dramen zeugen, wie Schmuckstücke und zerbrochene Gefäße, und lässt diese stumm von vergangenen Zeiten erzählen.

Das Gedicht dehnt die Betrachtung der Vergangenheit über die konkreten Ruinen Trojas hinaus aus. Es taucht in die tiefsten Schichten der Erde ein, um die unzähligen Toten und vergessenen Reiche zu betrachten, die im Laufe der Geschichte untergegangen sind. Die Zeilen atmen den Hauch der Verwesung, der aus den Tiefen des Grabes aufsteigt, und die Vorstellung von einer endlosen Abfolge von Generationen, die kommen und gehen, bevor überhaupt von Troja berichtet wird. Die Grabesluft, die Moderdunst der unzähligen Toten, wird zum Sinnbild der ewigen Vergänglichkeit.

Schließlich nimmt das Gedicht eine fast kosmische Perspektive ein, indem es den Kreislauf des Lebens aufgreift, der sich über die gesamte Menschheitsgeschichte erstreckt und sogar über deren Ende hinaus. Der Tod gleitet über die Völker, und das Leben wird als ein ewiger Kreislauf von Geburt und Sterben dargestellt, der in den Tiefen der Zukunft weiterläuft, bis selbst die Erde selbst wieder zu Staub zerfällt, um dann wieder neues Leben hervorzubringen. Die Botschaft ist die Akzeptanz des ewigen Wandels und der Erkenntnis, dass alles, was entsteht, auch vergehen muss. Das Gedicht endet mit einer umfassenden Vision der Ewigkeit, in der das menschliche Dasein nur ein flüchtiger Moment ist, eingebettet in den unaufhörlichen Fluss des Universums.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.