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Dolores

Von

Tiefer fliegt die Sommerschwalbe;
Vor dem Wetter zucken matt,
Längs der Uferbäume, falbe
Blitze hin von Blatt zu Blatt.

Und, aus tausend Kelchen stäubend,
Wallt der Nachtviolen Duft,
Der Jasmine, sinnbetäubend,
Durch die atemschwere Luft.

O, ich fühl′s! Mein Herz umstricken
Will noch mächtiger als je
Das verzehrende Entzücken
Von zuvor, das sel′ge Weh;

Fühle, daß in Geist und Sinnen
Neu der alte Rausch mir gärt,
Wie, da du mir, Weib, tiefinnen
An des Lebens Mark gezehrt.

Ist der Arm noch nicht vermodert,
Der sich heiß um meinen wand?
Nicht der Lippen Glut verlodert,
Die auf meinen oft gebrannt?

Wieder deine schwarzen Augen
Seh′ ich flammen über mir;
Aus dem Grab, mein Blut zu saugen,
Steigst du nächtlich als Vampyr.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Dolores von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dolores“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine düstere und leidenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der unerfüllten oder zerstörerischen Liebe, die sich in einer melancholischen Naturszenerie entfaltet. Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung des herannahenden Unwetters, das die Stimmung des lyrischen Ichs widerspiegelt. Die „tiefer fliegende Sommerschwalbe“ und die „falben Blitze“ kündigen eine bevorstehende Veränderung oder ein Unheil an, während die „atemschwere Luft“ und der „sinnbetäubende“ Duft von Nachtviolen und Jasmin die Atmosphäre zusätzlich verdichten und eine erdrückende Schwere erzeugen.

Im zweiten Teil des Gedichts wendet sich die Aufmerksamkeit des lyrischen Ichs dem emotionalen Kern des Gedichts zu: der Erinnerung an eine vergangene Liebe. Es verspürt ein „verzehrendes Entzücken“ und ein „sel’ges Weh“, was auf die ambivalente Natur der Leidenschaft hinweist: Sie ist sowohl erhebend als auch schmerzhaft. Die Zeilen „Fühle, daß in Geist und Sinnen / Neu der alte Rausch mir gärt“ deuten darauf hin, dass die Gefühle der Liebe und Sehnsucht immer noch in ihm brodeln und die Vergangenheit ihn weiterhin beherrscht. Die Erwähnung, dass das Weib „an des Lebens Mark gezehrt“ hat, deutet auf eine zerstörerische Beziehung hin, die ihn tiefgreifend beeinflusst hat.

Die folgenden Strophen verstärken den Eindruck des Untergangs und der Besessenheit. Die rhetorischen Fragen, wie „Ist der Arm noch nicht vermodert?“ und „Nicht der Lippen Glut verlodert?“, drücken eine Verzweiflung und ein Gefühl des Verlusts aus. Sie deuten darauf hin, dass das lyrische Ich versucht, sich von den Erinnerungen an die Geliebte zu befreien, aber daran scheitert. Die Metapher des „Vampyrs“, der aus dem Grab steigt, um das Blut des lyrischen Ichs zu saugen, ist ein starkes Bild der emotionalen Zerstörung und des Machtverhältnisses. Sie symbolisiert, dass die Geliebte, auch nach ihrem vermeintlichen Tod, eine unheimliche und zerstörerische Macht über ihn ausübt.

Insgesamt ist „Dolores“ ein Ausdruck tiefster Sehnsucht, Verzweiflung und Besessenheit. Das Gedicht nutzt die romantischen Elemente von Naturstimmungen und verzehrender Liebe, um die Zerrissenheit und das Leiden des lyrischen Ichs zu vermitteln. Es ist ein erschütterndes Porträt einer Liebe, die sowohl Quelle von Glück als auch von unendlichem Schmerz ist und den Protagonisten in einem Kreislauf der Erinnerung gefangen hält.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.