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Der Tod der Nachtigall

Von

Du, die unsterblich, vom Geschlechte
Der Feen und Elfen ich geglaubt,
O holde Freundin meiner Nächte,
So hat der Tod dich mir geraubt!

Im weichen Mondlicht vom Balkone
Wie oft dir lauscht′ ich andachtsvoll,
Wenn aus der grünen Blätterkrone
Dein heil′ges Lied herüberscholl.

Auf horchte selbst das Seelenlose
Den Tönen deiner Melodie;
Die bleiche Lilie, die Rose
In ihrem Schlummer hörten sie.

Zu Abgrundtiefen bald versunken,
Wo kein Gestirn des Lichtes kreist,
Bald von des Himmels Wonne trunken
Schien im Gesang dein Sehergeist.

Ein Hoffen quoll aus ihm, ein Ahnen
Von Höherm, als die Erde giebt;
Ein Hauch, so wollte mich′s gemahnen,
Der Liebe, die in allen liebt.

Nicht schwieg dein Schmettern, dein Geflöte,
Seitdem das Abendlicht verglüht;
Erst spät beim Schein der Morgenröte
Sank dir das Köpfchen schlummermüd.

Im Dunkel gestern auch zum Singen
Auf deinem Zweig warst du erwacht;
Gewölk stieg auf; verloren gingen
Schlaftrunkne Donner durch die Nacht.

Sanft glitt dein Lied, das leisgehauchte,
Auf Rosen- und Jasminenduft,
Der ringsher aus den Kelchen rauchte,
Zu mir durch sommerschwüle Luft.

Doch stärker war der Aeste Sausen,
Des Donnerkrachens Wiederhall;
Laut, immer lauter durch das Brausen
Des Sturms quoll deiner Stimme Schall;

Und ob der Blitz mit lohem Strahle
Hernieder auf die Wipfel fuhr,
Hoch jauchztest du in dem Chorale
Der um dich jubelnden Natur.

Mit Geistern war′s ein Zwiesprachhalten,
Ein Stürzen in das ew′ge Licht,
Ein Schauen himmlischer Gestalten,
Wie in Ezechiels Gesicht.

Und, wo selbst der Prophet mit Zagen
Den Blick gesenkt und heil′gem Graun,
Wie wolltest du′s, o Kleine, tragen,
Die Gottheit unverhüllt zu schaun?

Beim Frührot rollte durch das Wetter
Ein letzter, mächt′ger Donnerklang,
Durch den ein jubelndes Geschmetter
In hohem, vollem Hymnus drang.

Glorreich durchs Dunkel stieg die Sonne;
Da sankst du zuckend erdenwärts;
Der Donner schwieg; im Sturm der Wonne
Gebrochen war dein kleines Herz.

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Gedicht: Der Tod der Nachtigall von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Tod der Nachtigall“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine elegische Ode an den Tod einer Nachtigall, die während eines Unwetters singt. Das Gedicht beschreibt die Bewunderung des Sprechers für den Gesang des Vogels und seinen Mut angesichts des Sturms, der letztendlich zu seinem Tod führt. Die Nachtigall wird als ein Wesen von übernatürlicher Schönheit und spiritueller Tiefe dargestellt, dessen Gesang eine Verbindung zur Natur und zum Göttlichen herstellt.

Die erste Strophe etabliert die Trauer des Sprechers und die einstige Vorstellung, die Nachtigall sei unsterblich und gehöre zum Reich der Feen und Elfen. Der Sprecher erinnert sich an die Momente, in denen er dem Gesang der Nachtigall lauschte, wie sie in den mondbeschienenen Nächten von seinem Balkon sang. Die Beschreibungen des Gesangs, der selbst das Seelenlose zum Horchen brachte, unterstreichen die spirituelle Qualität des Vogels. Der Gesang wird als heilig und voller Bedeutung dargestellt, der tiefere Ebenen des Bewusstseins berührt.

Im weiteren Verlauf des Gedichts wird die zunehmende Intensität des Sturms und des Gesangs der Nachtigall geschildert. Trotz des Unwetters singt die Nachtigall immer lauter und leidenschaftlicher. Der Sprecher nimmt eine Verbindung zum Göttlichen wahr, da der Gesang von Hoffnung und Vorahnung durchzogen ist. Der Mut der Nachtigall, inmitten des Sturms zu singen, wird als ein Triumph des Geistes und des Gesangs über die Naturgewalten interpretiert. Das Gedicht gipfelt im Tod der Nachtigall, der als Teil eines göttlichen „Hymnus“ verstanden wird.

Die Verwendung von Bildern wie „Geister“, „ewiges Licht“ und „himmlische Gestalten“ deutet auf eine spirituelle Erhebung des Vogels hin. Der Tod der Nachtigall wird nicht als bloßes Ende, sondern als ein Übergang in eine höhere Ebene dargestellt, ein Eintauchen in das Göttliche. Der Sprecher scheint in dem Tod des Vogels ein Abbild des Leidens und der Erhebung zu erkennen, was das Gedicht zu einer Reflexion über Leben, Tod und die Natur des Göttlichen macht.

Das Gedicht endet mit der Beschreibung des Sonnenaufgangs und dem Tod der Nachtigall. Der Donner verstummt, und die Sonne scheint glorreich, aber das Herz der Nachtigall ist gebrochen. Der Kontrast zwischen dem Tod des Vogels und dem neu erwachenden Licht unterstreicht die Vergänglichkeit des Lebens, die Schönheit des Augenblicks und die Akzeptanz des Todes als Teil des ewigen Kreislaufs. Der Tod wird somit als ein Moment der Transformation und nicht nur als Verlust dargestellt, wobei die Nachtigall durch ihren Gesang und ihren mutigen Tod zu einem Symbol für Hoffnung, Liebe und die Verbindung zwischen Mensch und Natur wird.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.