Das Geheimniß
Du fragst mich, Mädchen, was flüsternd der West
Vertraue den Blüthenglocken?
Warum von Zweige zu Zweig im Geäst
Die zwitschernden Vögel sich locken?
Warum an Knospe die Knospe sich schmiegt,
Und Wellen mit Wellen zerfließen,
Und dem Mondstrahl, der auf den Kelchen sich wiegt,
Die Violen der Nacht sich erschließen?
O thörichtes Fragen! Wem Wissen frommt,
Nicht kann ihm die Antwort fehlen;
Drum warte, Kind, bis die Liebe kommt,
Sie wird dir Alles erzählen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Geheimniß“ von Adolf Friedrich Graf von Schack beschäftigt sich auf subtile Weise mit der Thematik des Geheimnisses der Liebe und der natürlichen Welt. Das Gedicht ist in einer Frage-Antwort-Struktur aufgebaut, wobei der lyrische Sprecher auf die Fragen eines Mädchens nach den Geheimnissen der Natur eingeht. Die Fragen betreffen das Flüstern des Westwinds, das Zwitschern der Vögel, die Knospen, die sich aneinander schmiegen, die Wellen, die ineinander fließen, und die Erschließung der Violen dem Mondlicht. Diese Fragen deuten auf ein kindliches Staunen und den Wunsch nach Erklärungen hin.
Der lyrische Sprecher antwortet auf diese Fragen indirekt, indem er das Mädchen auf die Ankunft der Liebe verweist. Anstatt eine konkrete Erklärung zu liefern, betont er, dass die Liebe selbst der Schlüssel zum Verständnis all dieser Geheimnisse ist. Er bezeichnet die Frage nach dem Warum als „thöricht“ und deutet an, dass das Wissen über diese Dinge nicht durch rationales Denken, sondern durch das Erleben der Liebe erlangt wird. Die Naturphänomene, die das Mädchen anspricht, werden somit als Metaphern für die komplexen und oft unerklärlichen Aspekte der Liebe verstanden.
Die Sprache des Gedichts ist sanft und lyrisch, mit einer klaren und melodischen Struktur, die durch Reime und einen fließenden Rhythmus entsteht. Die Wahl der Worte, wie „flüsternd“, „zwitschernd“, „schmiegt“ und „erschließen“, erzeugt ein Gefühl von Zärtlichkeit und Geheimnis. Die Natur wird als lebendig und voller Anziehungskraft dargestellt, was die Parallelen zur Liebe verstärkt. Der Einsatz von Bildern wie den Blüthenglocken, den Vögeln, den Knospen und den Wellen, die sich vereinen, verstärkt das Thema der Vereinigung, des Verlangens und der Verbundenheit.
Das Gedicht endet mit einem Appell an das Mädchen, auf die Liebe zu warten, da sie die Antworten auf all ihre Fragen liefern wird. Diese Schlusszeile ist nicht nur eine Antwort, sondern auch ein Versprechen, das auf die transformative Kraft der Liebe hinweist. Sie deutet an, dass die Erfahrung der Liebe, ihre Freuden, aber auch ihre Geheimnisse, das Mädchen in die Lage versetzen wird, die Welt und ihre eigenen Erfahrungen auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Damit wird die Liebe als eine allumfassende Kraft dargestellt, die nicht nur die Natur, sondern auch das menschliche Dasein tiefgreifend beeinflusst.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.