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An Sie

Von

Was birgst du dich vor mir? Ich habe
In meinen Träumen schon als Knabe,
Als Jüngling schon dich oft geschaut,
Sanft deiner Nähe Hauch empfunden
Und morgens, wenn du mir entschwunden,
Mit Thränen meinen Pfühl betaut.

Wenn nächtlich unterm Sternendache
Das Rufen mir, das tausendfache,
Von Wald und Flur zum Ohre drang,
Oft fernher durch der Stürme Brausen,
Der Ströme Rauschen, in den Pausen
Vernahm ich deiner Stimme Klang.

In allem Hohen, allem Schönen
Der alten Dichtung, in den Tönen,
Mozarts und Webers hört′ ich sie;
Beim Orgelklang durch die Choräle
Erscholl sie mir, und meine Seele
Trank brünstig ihre Melodie.

Doch, die du immer mich umschwebtest,
Oft fragt′ ich zweifelnd, ob du lebtest,
Weil keine dir auf Erden glich.
Und, wie die wechselnden Gestalten
Des Lebens mir vorüberwallten,
In jeder, jeder sucht′ ich dich.

Ich sah sie kommen, sah sie schwinden,
Und konnte nie die eine finden,
Nach der das Herz mir einzig rang –
Mein Haupt verhüllt′ ich da voll Trauer
Und fühlte, wie des Todes Schauer
Durch meine Glieder eisig drang.

Schon schwand vom Leben mir das Beste,
Verdorrend sinken seine Aeste,
Welk seine Blätter nach und nach;
Doch wieder naht, im Sturm sich wiegend,
Der Frühling, Grab und Tod besiegend,
Und neu wird alte Hoffnung wach.

Komm denn, du, die mir immer fehlte,
Braut, der ich mich im Geist vermählte!
Birg meinem Blick dich länger nicht!
Mit hohen, sehnsuchtschweren Schlägen
Klopft zitternd dir mein Herz entgegen!
Komm, daß es nicht in Jammer bricht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Sie von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Sie“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine tiefgründige Liebeserklärung, die sich von der Suche nach einer idealen Geliebten zu einer sehnsüchtigen Bitte nach Erfüllung wandelt. Das Gedicht beginnt mit einer rhetorischen Frage, die Neugier weckt: „Was birgst du dich vor mir?“. Der Sprecher offenbart seine intensive, lebenslange Suche und Sehnsucht nach einer unerreichbaren Geliebten, die er bereits in seinen Träumen und als Knabe, als Jüngling imaginiert hat. Diese unerreichbare Frau, die er immer spürt, deren Nähe er genießt und deren Stimme er in der Natur, in der Kunst und Musik wahrnimmt, wird als ein idealisiertes Wesen dargestellt.

In den folgenden Strophen wird die allgegenwärtige Suche nach dieser idealen Frau weiter ausgeführt. Der Sprecher findet sie in der Natur, in den „Tönen Mozarts und Webers“ und in religiösen Klängen, aber nie in der Realität. Diese Suche nach dem Ideal in allen Bereichen des Lebens unterstreicht die tiefe Sehnsucht und die Unfähigkeit, diese in der realen Welt zu befriedigen. Der Sprecher scheint von der Überzeugung geprägt zu sein, dass diese ideale Frau von göttlicher Natur ist, da er sie im Laufe seines Lebens nie in der Realität antreffen konnte.

Die dramatische Wendung des Gedichts erfolgt in der fünften Strophe. Die vergeblichen Versuche, diese unerreichbare Geliebte zu finden, führen zu tiefer Trauer und dem Gefühl des Todes. Der Sprecher erlebt die Vergeblichkeit seines Strebens und spürt die Kälte des Todes. Dies verdeutlicht die extreme emotionale Belastung, die mit der unerfüllten Sehnsucht verbunden ist. Der Sprecher scheint am Rande der Verzweiflung zu stehen, da die Hoffnung auf Erfüllung durch das Altern und die Enttäuschung erloschen ist.

Die abschließenden Strophen bringen eine Wendung in der Hoffnung. Trotz des nahenden Todes kehrt der Frühling zurück, der die Wiedergeburt und die Überwindung des Todes symbolisiert. Der Sprecher bittet seine ideale Geliebte, sich zu offenbaren und seine Sehnsucht endlich zu erfüllen. Die Worte „Braut, der ich mich im Geist vermählte!“ zeigen eine Verbindung, die nur im Geiste existiert und nun durch die Sehnsucht nach physischer Vereinigung verstärkt wird. Das Herz des Sprechers „klopft zitternd“ und fleht nach Erfüllung, was die Intensität seiner Gefühle und die Dringlichkeit seines Wunsches unterstreicht. Die zentrale Botschaft ist die unerschütterliche Hoffnung, dass die Liebe trotz aller Hindernisse doch noch gefunden und erlebt werden kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.