Enthülltes Geheimnis
Von meinem Auge sank es wie ein Schleier,
Da ich zuerst dich fand. Mir war,
Als würd′ im Tempel mir bei heil′ger Feier
Ein göttliches Geheimnis klar.
Und in die Seele kam mir tiefes Schweigen;
Mit Staunen, wie zum erstenmal,
Sah ich die hocherhabne Sonne steigen,
Des Mondes milden Dämmerstrahl.
Erst nun ist alles, alles mir erschlossen,
Die Stimmen all von Wald und Flur
Versteh′ ich nun, das Welken und das Sprossen
Der ewig waltenden Natur.
Und was der Weisen Lehren nicht gelungen,
Nur durch der Liebe Zaubermacht,
Die feur′ger redet, als mit Engelzungen,
Hast du es, fast noch Kind, vollbracht.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Enthülltes Geheimnis“ von Adolf Friedrich Graf von Schack beschreibt die tiefgreifende Veränderung, die durch die Liebe ausgelöst wird. Die ersten beiden Strophen schildern das Erleben des lyrischen Ichs, das durch die Begegnung mit der geliebten Person eine neue Sichtweise auf die Welt erfährt. Zuvor war die Welt für den Sprecher wie von einem Schleier bedeckt, ein Zustand der Unklarheit und vielleicht auch der Unwissenheit. Die Liebe wirkt wie eine Offenbarung, die ihm ein „göttliches Geheimnis“ enthüllt, vergleichbar mit dem Erleben in einem heiligen Tempel. Diese Erfahrung führt zu tiefem Schweigen und Staunen, als ob die Welt neu entdeckt wird.
In den folgenden Strophen wird die transformative Kraft der Liebe weiter entfaltet. Der Sprecher versteht nun die Welt in ihrer Ganzheit, die Stimmen der Natur werden ihm verständlich, und er begreift den Kreislauf von Werden und Vergehen. Die Liebe wird hier als Schlüssel zur Erkenntnis dargestellt, als ein Mittel, um die Geheimnisse der Natur und des Lebens zu entschlüsseln. Die Natur mit ihrem Welken und Sprossen wird als Metapher für das Leben und dessen ständige Veränderung verstanden.
Die letzte Strophe hebt die einzigartige Fähigkeit der Liebe hervor, die als mächtiger als die Weisheit der Gelehrten erscheint. Durch die „Zaubermacht“ der Liebe, die „feuriger redet als mit Engelzungen“, hat die geliebte Person, fast noch ein Kind, das erreicht, was den Weisen nicht gelang. Die Liebe wird hier als eine intuitive, intuitive Kraft dargestellt, die das Herz und die Seele öffnet und tiefe Erkenntnisse ermöglicht. Es ist ein Akt der intuitiven Weisheit, der die rationale, gelehrte Erkenntnis übertrifft.
Insgesamt feiert das Gedicht die alles verändernde Kraft der Liebe, die nicht nur die Wahrnehmung der Welt, sondern auch das Verständnis für das Leben grundlegend verändert. Sie ist der Schlüssel zur Offenbarung, die die Welt in ihrer Schönheit und Komplexität begreifbar macht. Die Verwendung von Bildern wie Schleier, Tempel, Sonne und Mond unterstreicht die Erhabenheit und das Geheimnis, das mit der Liebe verbunden ist. Es ist eine Ode an die Liebe als Weg zur Erkenntnis und zur Ganzheit.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.