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Aurelia

Von

1.

Geflohn hab′ ich den gelben Tiber,
Und dich, o Weib, das mich betrog,
Als Liebe mir, ein glühend Fieber,
Am Mark des Lebens sog.

Doch, ob uns Himmelweiten trennen,
Noch klopft mein Herz mit wildem Schlag,
Und heiß die Wange fühl′ ich brennen,
Wie an dem Scheidetag.

Der schwarzen Augen sengend Feuer –
Wollüstig wallt durch Geist und Sinn
Mir noch von ihm ein immer neuer
Glutstrom entnervend hin.

Und fliehend auf entlegnen Meeren,
Fleh′ ich umsonst die Sterne an,
Die unbarmherz′gen, mich zu lehren,
Wie ich vergessen kann.

2.

Fort rollt mein Schiff zum fernen Westen,
Doch läßt dein Bann mich nicht entfliehn
Und hält mich fest in den Palästen,
Den Gärten auf dem Palatin.

Auf Schutt, bedeckt mit schwarzem Staube,
Zieht′s mich durch rankendes Geschling
Hin zu der dunklen Myrtenlaube,
Wo mich dein Arm so oft umfing.

Mein heißes Haupt in dumpfem Brüten
Lehnt sich auf einen Säulenknauf,
Und um mich steigt, mit Duft der Blüten,
Der Moderhauch aus Gräbern auf.

Am Himmel durch die wetterschwere
Nachtluft wälzt sich ein Wolkenzug,
Und schrillend flattert her vom Meere
Ein Möwenschwarm in hast′gem Flug.

Da regt sich′s in den Myrtenzweigen;
Herab von ihrem Piedestal
Seh′ ich der Venus Bild sich neigen;
Die Luft durchzuckt ein Wetterstrahl.

Dich, dich erkenn′ ich bei dem Lichte,
Und langsam legt sich, furchtbar Weib,
Wie starr den Blick ich auf dich richte,
Dein Marmorarm um meinen Leib.

Fliehn will ich, doch auf meine Stirne
Drückst du den Mund, zum Herzen jäh
Schießt mir das Blut, und im Gehirne
Fühl′ ich ein tödlich süßes Weh.

Der Atem stockt mir, im Erwachen
Fahr′ ich entsetzt vom Pfühl empor,
Und dumpf erschallt der Bretter Krachen,
Der Wogen Donner an mein Ohr.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Aurelia von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Aurelia“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit der zerstörerischen Kraft einer unerwiderten oder gescheiterten Liebe. Es zeichnet das Bild eines Mannes, der versucht, einer vergangenen Beziehung und den damit verbundenen Gefühlen zu entkommen, aber immer wieder von diesen Erinnerungen eingeholt wird. Das Gedicht ist in zwei Teile gegliedert, die die Zerrissenheit des Sprechers und seine vergeblichen Versuche, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, widerspiegeln.

Im ersten Teil versucht der Sprecher, durch die Flucht aus Rom und über das Meer, der geliebten Frau zu entkommen, die ihn betrogen hat. Er sehnt sich nach Vergessen, doch die Erinnerung an ihre „schwarzen Augen“ und die einst erlebten Momente der Leidenschaft verfolgen ihn. Das „glühende Fieber“, das „am Mark des Lebens sog“, verdeutlicht die Intensität seiner Gefühle und die tiefe Verwurzelung der verlorenen Liebe in seinem Wesen. Trotz der räumlichen Distanz und der Bitte an die Sterne, ihn zu lehren, wie er vergessen kann, bleibt er gefangen in der Vergangenheit.

Der zweite Teil, noch intensiver, beschreibt eine surreale Szene auf dem Palatin, wo der Sprecher von den Erinnerungen an die Frau eingeholt wird. Er sieht sich in den Palästen und Gärten wieder, die mit der Vergangenheit verbunden sind. Die Atmosphäre ist geprägt von Verfall und Tod, was durch die „dunkle Myrtenlaube“, den „Moderhauch aus Gräbern“ und den „Schutt, bedeckt mit schwarzem Staube“ symbolisiert wird. In dieser Umgebung erscheint die Venus, und die Frau materialisiert sich ihm in einer Vision, die von einem Wetterstrahl durchzuckt wird.

Die finale Konfrontation ist von extremer Intensität und gipfelt in einer verschmelzenden Umarmung und einem „tödlich süßen Weh“. Die körperliche Vereinigung und die gleichzeitige Auflösung in der Auflösung des eigenen Selbst unterstreichen die Ambivalenz der Gefühle – die Sehnsucht nach der Liebe, verbunden mit dem Schmerz der Zurückweisung und des Verlustes. Die Schlussstrophe, in der der Sprecher aus einem Alptraum erwacht, mit dem Krachen der Bretter und dem Donner der Wellen, symbolisiert das Aufwachen aus der Illusion und die Konfrontation mit der Realität des Verlusts.

Insgesamt ist „Aurelia“ ein ergreifendes Gedicht über die Macht der Erinnerung und die zerstörerische Kraft unerfüllter Liebe. Es zeichnet das Bild eines Mannes, der von seinen Gefühlen heimgesucht wird und versucht, aus der Vergangenheit zu fliehen, aber letztendlich von ihr eingeholt wird. Die Verwendung von bildreichen Beschreibungen, die Kontraste zwischen Lebendigkeit und Verfall sowie die metrische Struktur tragen dazu bei, die Intensität der Emotionen zu vermitteln und den Leser in die innere Zerrissenheit des Sprechers hineinzuziehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.