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Antonio de Leyva

Von

Rings von Pavias Mauerkranz
Gewahrt man blitzend Speer an Speer;
Ein Jahr umzingelt König Franz
Die Wälle schon mit seinem Heer;
Schon wüten Pest und Hunger drinnen,
Und keiner ist, der Hilfe bringt;
Doch, ob der Feind auch näher dringt,
Es wanken nicht die Festungzinnen,
So lang für Karl, dem er vereidigt,
Antonio Leyva sie verteidigt.

Da sendet Franz mit welscher List
Verkappte Späher in das Thor;
Durch Trug, wie er am feinsten ist,
Bethören sie der Mannschaft Ohr;
Auf Markt und Gassen, Wall und Türmen
Schleicht durch das Heer der Teufel Gold,
Bis Aufruhr in Pavia grollt
Und Meutrer zu Antonio stürmen:
»Was, Feldherr, hilft das Widerstreben?
Die Festung müßt Ihr übergeben!«

Drauf Leyva: »Weicht aus diesem Saal!
Eu′r Hauptmann einzig bleibe hier
Und meld euch dann, was ich befahl!
Nochmals hinweg! Was zögert ihr?«
Der Hauptmann winkt und, zu vollführen,
Was er gebeut, gehn jene stumm;
Antonio aber schließt ringsum
Des Saales feste Eisenthüren
Und donnert in des Hauptmanns Ohren:
»Zieh, Schurke, zieh! Du bist verloren!

Verräter nenn′ ich dich an Gott
Und an des Kaisers Majestät;
Um Gold, von Franken ausgesät,
Treibst du mit Ehr′ und Treue Spott!
Zieh, zieh! Kein Weg zur Flucht ist offen!«
Auf den Bestürzten eilt er los,
Hieb folgt auf Hieb und Stoß auf Stoß;
»Weh!« – ruft der Hauptmann – »weh! getroffen!«
Zu Boden taumelt der Bethörte,
Durchbohrt von Don Antonios Schwerte.

Indessen tönt von unten schon
Der Soldateska wüst Geschrei;
Es wächst und schwillt die Meuterei;
Den Hauptmann fordern sie und drohn
Mit Lanzen und entflammten Lunten;
Antonio aber tritt gefaßt
Auf den Balkon vor dem Palast
Und schleudert ins Gewühl nach unten
Den kaum erblaßten Toten nieder.
»Ihr fordert ihn, da habt ihn wieder!«

Und wild ertönt das Racheschrein
Der Kriegerhaufen; voll von Wut
Verlangen sie des Feldherrn Blut;
Doch festen Schritts in ihre Reihn
Steigt er hinunter. »Hört, ihr alle,
Daß diesen für Verrat und Trug
Ich in gerechtem Kampf erschlug!
Die Leiche werft hinab vom Walle,
Damit wir König Franz belehren,
Wie seine Söldlinge wir ehren!

Ihr bebt vor Pest und Hungersnot
Und sagt dafür der Ehre ab;
Seht hier – es ist mein letztes Brot,
Ich werf′ es in den Strom hinab;
Und wollt ihr noch von Schande reden
Und Uebergabe – nun, wohlan!
Euch alle will ich Mann für Mann
Im Kampf bestehn und werde jeden,
Sobald er fiel von meinen Händen,
Als Leiche den Franzosen senden.«

Ein Murmeln ging, als so er sprach,
Ein Staunen durch der Krieger Reihn;
Nicht einer wollte so mit Schmach
Befleckt vor seinem Feldherrn sein;
Verzeihung sich erflehend, traten
Sie um ihn her und schwuren neu,
Zum letzten Atemzuge treu
Sein wert zu sein durch Heldenthaten.
Und König Franz verließ in Schnelle,
Da er′s vernahm, Pavias Wälle.

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Gedicht: Antonio de Leyva von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Antonio de Leyva“ von Adolf Friedrich Graf von Schack erzählt eine dramatische Geschichte von Verrat, Tapferkeit und Loyalität während der Belagerung von Pavia durch König Franz. Es zeichnet das Bild eines charismatischen und unerschütterlichen Feldherrn, der seine Truppen durch eine Kombination aus Mut, Entschlossenheit und rhetorischer Überzeugungskraft dazu bringt, ihre Ehre und ihren Eid zu wahren.

Das Gedicht entfaltet sich in mehreren Szenen, die die Eskalation der Krise und die anschließende Lösung durch Antonio de Leyva darstellen. Zuerst wird die aussichtslose Situation in der belagerten Festung beschrieben, gefolgt von der Intrige des Königs, der Verräter einschleust, um die Verteidiger zu korrumpieren. Der Konflikt spitzt sich zu, als die Meuterer Leyva auffordern, die Festung zu übergeben. Leyva jedoch entlarvt den Anführer der Meuterer und tötet ihn in einem Duell, bevor er die Meute mit einer eindrucksvollen Ansprache überzeugt, ihre Ehre zu bewahren.

Schacks Verwendung von Sprache und Bildern ist sehr effektiv. Er erzeugt ein Gefühl von Enge und Bedrohung, indem er die Belagerung und die Hungersnot detailliert schildert. Der Einsatz von direkter Rede und dramatischen Wendungen verstärkt die Spannung und das Gefühl von Gefahr. Die Darstellung des Kampfes und der anschließenden Ansprache Leyvas ist von starker rhetorischer Wirkung, wobei Leyvas Worte die Ehre und den Kampfgeist seiner Soldaten wieder entfachen. Der Kontrast zwischen der Korruption des Verräters und der Integrität Leyvas wird deutlich hervorgehoben.

Die zentrale Figur, Antonio de Leyva, wird als Inbegriff von Loyalität und Tapferkeit dargestellt. Er ist nicht nur ein militärischer Anführer, sondern auch ein moralischer Kompass für seine Truppen. Seine Tat, den Verräter zu töten und dann seinen Feinden die Leiche zu präsentieren, ist ein Zeichen seiner Verachtung für den Verrat und seiner Entschlossenheit, seine Prinzipien zu verteidigen. Seine anschließende Ansprache und die Demonstration, wie er sein letztes Brot in den Fluss wirft, um zu zeigen, dass er lieber stirbt als sich zu ergeben, festigt seinen Ruf als unerschütterlicher Held.

Letztendlich ist das Gedicht eine Hymne auf die Ehre und die Treue, die selbst in den widrigsten Umständen erhalten werden kann. Es zeigt, wie ein einzelner Mann, der von seinem Ideal überzeugt ist, in der Lage ist, die Moral seiner Truppen zu heben und eine scheinbar aussichtslose Situation zu wenden. Die Reaktionen der Soldaten, die die Ehrung erfahren, und das schnelle Aufgeben der Belagerung durch König Franz verdeutlichen die transformative Kraft von Leyvas Führung und die Bedeutung von Tugend und Pflicht in Zeiten der Krise.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.