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Mädchen

Von

Sie halten den Abend der Stuben nicht aus.
Sie schleichen in tiefe Sternstraßen hinaus.
Wie weich ist die Welt im Laternenwind!
Wie seltsam summend das Leben zerrinnt . . .

Sie laufen an Gärten und Häusern vorbei,
Als ob ganz fern ein Leuchten sei,
Und sehen jeden lüsternen Mann
Wie einen süßen Herrn Heiland an.

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Gedicht: Mädchen von Alfred Lichtenstein

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mädchen“ von Alfred Lichtenstein beschreibt in lakonischer Weise die Sehnsüchte und die verlorene Unschuld junger Frauen in einer Großstadt-Umgebung. Es eröffnet mit der Unfähigkeit der Mädchen, die Enge und Eintönigkeit ihrer Stuben zu ertragen, wodurch ein Gefühl der Langeweile und des Ausbruchs deutlich wird. Sie werden von einer unbekannten Kraft angezogen, die sie in die nächtlichen Straßen treibt, die von Laternen beleuchtet werden. Diese nächtlichen Straßen verkörpern das Verlangen nach Freiheit, Abenteuer und der Aufbruch in eine neue Welt.

Die zweite Strophe intensiviert die Atmosphäre der Sehnsucht und der Suche. Das „Leuchten“ in der Ferne, das die Mädchen anzuziehen scheint, kann als Metapher für verlockende Erfahrungen, Hoffnungen oder auch Gefahren gedeutet werden. Die Mädchen rennen vorbei an Gärten und Häusern, also an gewohnten Orten, was ihre Unzufriedenheit und ihre Suche nach etwas Neuem unterstreicht. Das Leben „zerrinnt“, was auf eine gewisse Geschwindigkeit des Lebens und die vergängliche Natur jugendlicher Unbeschwertheit hindeutet.

Der letzte Teil des Gedichts ist von besonderer Bedeutung, da er die Beziehung zwischen den Mädchen und den Männern in der Großstadt beleuchtet. Die Mädchen blicken zu „jedem lüsternen Mann“ mit einem erstaunlichen Grad der Hoffnung und des Vertrauens auf – sie sehen in ihnen eine Art „süßen Herrn Heiland“. Diese Metapher ist ironisch, da die Männer, im Gegensatz zum erhofften Heiland, durch ihre Lüsterkeit und ihre Absichten keine Errettung oder Erfüllung bringen können. Dies unterstreicht die Gefahr, die in der Suche der Mädchen nach dem Glück in der Großstadt verborgen liegt.

Lichtensteins Gedicht ist ein bemerkenswertes Beispiel für den expressionistischen Stil, der durch seine knappe Sprache, die Verwendung von starken Bildern und eine gewisse Distanziertheit gekennzeichnet ist. Es fängt auf eindringliche Weise die Widersprüche des Lebens junger Frauen in einer modernen, oft entfremdeten Umgebung ein, in der Sehnsucht, Hoffnung und Gefährdung eng miteinander verwoben sind. Das Gedicht regt zur Reflexion über die Suche nach Identität, die Suche nach dem Glück und die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen an.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.