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Das weiße Fräulein

Von

Es schlummert das Gregoriental
in tiefem Blumenschnee;
wie Silberkrönlein blitzen zumal
Maiblumen, Veiel und Klee.

Der Mond scheint bergesüber herein –
nun tropfen die Wälder von Licht;
es fließt wie ein fremder Heil’genschein
über den Landen dicht…

Ein Burggemäuer hängt an der Firn,
dort senkt der Pfad sich sacht;
und wie in heimatlosem Irr’n
tastet wer in die Nacht –

Zu Tale schwebt die feine Gestalt
mit ungehörtem Schritt,
und durch den mondesbeleuchteten Wald
wandelt ein Singen mit…

Es steht wie ein lachendes Warten auf Glück
um die Lippen der süßen Frau;
sie sucht in die Ferne, sie schaut nicht zurück,
sie tritt auf die Maienau.

Da rauscht ein Brünnlein mit zartem Getön,
sie setzt sich auf seinen Rand.
Die Tropfen gleiten ihr perlenschön
über die zitternde Hand –

Es löst das seltsame, hohe Weib
all ihrer Gewänder Pracht,
und neigt sich, und badet den blendenden Leib
im Brunnen verstohlen sacht…

Dann tut sie ihr jaspishelles Kleid
und Spangen und Kettlein an,
als rüste sie sich zu bräutlicher Zeit
und fühlte die Wonne nah’n…

Wie glasgesponnene Fäden fließt
ihr Ringelhaar, das sie strählt;
und von der sternhellen Aue liest
sie Maiblumen ungezählt…

Sie heftet die duftenden an ihr Kleid,
und flicht sich ein Krönlein und lacht –
spähend und harrend schaut sie weit
in die Mondesmitternacht.

Und leuchtend das Land, und silbern der Wald,
Maiblumengleich die Au’,
und weiß umrinnt das Licht die Gestalt
der weißen harrenden Frau.

Sie singt nicht mehr – sie starrt weithin,
als ob sie durch Himmel und Land
ein Liebstes suchte mit fieberndem Sinn,
das sie doch nimmer fand…

Dann wendet sie sich – die Luft wird fahl,
die Sterne schwinden im Grau;
es fallen des Morgens Tränen zu Tal,
in die silbernen Knospen der Au’.

Und sie sucht den blassen Pfad im Wald,
muß heim zu Burg und Bann;
die arme, rührende Lichtgestalt
hebt leise zu schluchzen an.

Das funkelnde Kleid verfärbt sich in Grau –
es löst sich der Maienkranz;
und blumenlos entwandelt die Frau –
zu Tränen ward der Glanz…

So sucht alle Nacht die Sehnsucht den Steg
zum fernen, leuchtenden Glück –
mit Singen und Lachen hebt an ihr Weg,
und schluchzend kehrt sie zurück.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das weiße Fräulein von Alberta von Puttkamer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das weiße Fräulein“ von Alberta von Puttkamer ist eine romantische Ballade, die eine geheimnisvolle und melancholische Geschichte erzählt. Es handelt von einer weiblichen Erscheinung, dem „weißen Fräulein“, die in einer mondbeschienenen Nacht aus einem alten Gemäuer hervortritt, um scheinbar nach einem verlorenen Glück zu suchen. Das Gedicht ist reich an Naturbildern und erzeugt eine Atmosphäre von Mystik und Sehnsucht.

Die erste Hälfte des Gedichts beschreibt die idyllische Landschaft und die Vorbereitung des Fräuleins. Die Natur erwacht im Mondlicht, die Blumen blühen, und das Fräulein senkt sich aus dem Burggemäuer. Sie wirkt zunächst fröhlich, sucht in die Ferne und badet sich in einem Brunnen. Dies deutet auf eine Suche nach Erfüllung und Schönheit hin, vielleicht nach einer verlorenen Liebe oder einem unerreichbaren Ideal. Die Verwendung von Adjektiven wie „feine“, „lachendes“ und „süße“ betont ihre Anmut und das Hoffnungsvolle ihrer ursprünglichen Absicht.

In der zweiten Hälfte des Gedichts kippt die Stimmung. Die Suche des Fräuleins nach Glück wird vergeblich. Ihr Gesang verstummt, sie starrt in die Ferne, als ob sie etwas Unerreichbares sucht. Die Natur verliert ihren Glanz, und der Morgen graut. Der Wandel von Freude zu Melancholie wird durch den Verlust der Farben und die Tränen des Morgens symbolisiert. Die Frau muss in ihr altes Leben zurückkehren, ohne das ersehnte Glück gefunden zu haben, und die anfängliche Pracht der Erscheinung verblasst.

Das Gedicht ist stark von der Romantik geprägt. Die Natur dient als Spiegel der Gefühle der Protagonistin. Die Mondlandschaft, die Blumen und das Wasser erzeugen eine Atmosphäre der Träumerei und des Geheimnisvollen, die typisch für die Romantik ist. Die unerfüllte Sehnsucht nach Glück und das Scheitern der Suche nach Erfüllung sind zentrale Themen, die in vielen romantischen Werken auftauchen. Die letzte Strophe fasst die Essenz des Gedichts zusammen: Die Sehnsucht nach Glück treibt die Menschen an, doch oft kehren sie enttäuscht zurück.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Das weiße Fräulein“ eine melancholische Ballade ist, die die unerfüllte Sehnsucht nach Glück und die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert. Durch die Verwendung von Naturbildern und einer geheimnisvollen Atmosphäre entwirft die Dichterin ein berührendes Bild des menschlichen Strebens nach Glück, das in der Realität jedoch oft unerreichbar bleibt. Die Geschichte des Fräuleins wird so zum Sinnbild für die vergeblichen Bemühungen des Menschen, das Glück zu finden.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.