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Vom Pythagoräischen Lehrsatz

Von

Die Wahrheit, sie besteht in Ewigkeit,
Wenn erst die blöde Welt ihr Licht erkannt;
Der Lehrsatz, nach Pythagoras benannt,
Gilt heute, wie er galt zu seiner Zeit.

Ein Opfer hat Pythagoras geweiht
Den Göttern, die den Lichtstrahl ihm gesandt;
Es thaten kund, geschlachtet und verbrannt,
Einhundert Ochsen seine Dankbarkeit.

Die Ochsen seit dem Tage, wenn sie wittern,
Daß eine neue Wahrheit sich enthülle,
Erheben ein unendliches Gebrülle;

Pythagoras erfüllt sie mit Entsetzen;
Und machtlos, sich dem Licht zu widersetzen,
Verschließen sie die Augen und erzittern.

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Gedicht: Vom Pythagoräischen Lehrsatz von Adelbert Chamisso

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vom pythagoräischen Lehrsatz“ von Adelbert von Chamisso ist eine humorvolle und augenzwinkernde Auseinandersetzung mit der Beharrlichkeit wissenschaftlicher Wahrheiten und dem Widerstand, den diese oft in der Welt erfahren. Das Gedicht beginnt mit der Feststellung, dass die Wahrheit ewig währt, sobald sie von der Welt erkannt wurde. Chamisso wählt hier den pythagoräischen Lehrsatz als Beispiel, ein mathematisches Prinzip, das seit der Antike Gültigkeit besitzt. Der Verweis auf Pythagoras und die Widmung von Opfern an die Götter deutet auf die Bedeutung der Entdeckung und die Ehrfurcht, die sie hervorrief.

Die Ironie des Gedichts entfaltet sich in der zweiten Strophe und insbesondere in der dritten. Chamisso schildert die Reaktion der Ochsen, die Pythagoras zum Dank für die Erkenntnis opferte. Der Dichter verknüpft die Ehrfurcht und das Opfer mit dem tierischen Instinkt, der die Ochsen seither mit Entsetzen und Widerstand erfüllt, sobald sich eine neue Wahrheit ankündigt. Chamisso stellt dar, dass die Ochsen, stellvertretend für Ignoranz und Widerstand gegen Fortschritt, mit Angst und Ablehnung reagieren. Sie verschließen die Augen und zittern, unfähig, sich dem Licht der Erkenntnis zu stellen.

Die humorvolle Pointe des Gedichts liegt in der Übertragung menschlicher Eigenschaften auf die Tiere, was die Absurdität des Widerstands gegen neue Erkenntnisse verdeutlicht. Die Ochsen, als Sinnbild für die ignorante Masse, werden von der Wahrheit ebenso erschrocken wie vom Licht, das die Erkenntnis erhellt. Chamisso karikiert damit die menschliche Tendenz, sich Neuerungen zu widersetzen, sei es aus Angst vor dem Unbekannten, aus Trägheit oder aus purer Ignoranz.

Die Wahl des pythagoräischen Lehrsatzes, eines abstrakten mathematischen Prinzips, verstärkt die Komik, da die Reaktion der Ochsen auf etwas so Unfassbares noch lächerlicher wirkt. Chamissos Gedicht ist somit eine Satire auf die Trägheit des Denkens und ein Plädoyer für die Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen, verpackt in einem leichten, humorvollen Gewand. Es erinnert uns daran, dass der Fortschritt oft von Widerstand begleitet wird, aber letztendlich die Oberhand behält, so wie der pythagoräische Lehrsatz bis heute gültig ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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