Emotionen & Gefühle, Erfindungen, Frieden, Frühling, Gedanken, Helden & Prinzessinnen, Kriegsgeschichte, Metaphysik & Traumwelten, Mythen & Legenden, Religion, Sommer, Zerstörung
Mein Dichten und Trachten
Ich sehe keinen Frühling mehr,
Bis daß die Freiheit blüht;
Es duftet kein Rose mir,
Bis jedes Herz ihr glüht.
Ich höre keinen Vogelsang
Als meiner Dichter Wort;
Mich trägt kein Strom mehr als der Tag
Zum Weltenmeere fort.
Ich schaue keine Steinenpracht
Als Herrscherstolz und Zwang;
Ich habe keine Hoffnung mehr
Als ihren Untergang.
Die eine Sonne, die mir glänzt,
Ist meines Volkes Geist,
Und meine Kirche jede Brust,
Die laut die Freiheit preist.
Ich hasse alle Wissenschaft,
Die einen Bauch sich frißt;
Ich achte keinen Helden mehr,
Der′s seinem Herrscher ist.
Ich habe keine Liebe mehr,
Die um ein Küßchen minnt;
Mein Vaterland ist meine Braut,
Die schon zur Hochzeit spinnt!
Die Wahrheit ist mein heil′ger Geist,
Mein Gott und Seelenhirt!
Ich habe keinen Glauben mehr,
Als daß es besser wird.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Mein Dichten und Trachten“ von Adolf Glaßbrenner ist eine leidenschaftliche und kompromisslose programmatische Erklärung eines Dichters, der sein Leben und sein Werk vollständig dem Ideal der Freiheit und der nationalen Einheit verschrieben hat. Es ist ein Bekenntnis, in dem der Autor jegliche persönliche Freude und ästhetische Erlebnisse der politischen Mission unterordnet. Die Sprache ist pathetisch und drückt eine tiefe Verzweiflung über die gegenwärtige politische Lage aus, verbunden mit einem unerschütterlichen Glauben an eine bessere Zukunft.
Glaßbrenner entwirft eine Weltanschauung, in der alle traditionellen Quellen der Freude und des Trostes – Frühling, Rosen, Vogelsang, Steinenpracht – ihre Bedeutung verloren haben, solange die Freiheit nicht verwirklicht ist. Die Metaphern sind stark und symbolträchtig: Die Freiheit ist die einzige Blume, die er wahrnimmt, das Dichterwort der einzige Gesang, der Tag der einzige Strom, der ihn vorantreibt. Das Gedicht zeigt eine völlige Abwendung von den Freuden des Lebens zugunsten des Kampfes für die nationale Erneuerung. Der Hass auf Wissenschaft, die nur den Bauch nährt, und auf Helden, die ihrem Herrn dienen, zeigt die Ablehnung bestehender gesellschaftlicher Strukturen.
Das Gedicht ist auch eine Liebeserklärung an das Vaterland, das zur „Braut“ wird, die sich auf die „Hochzeit“ vorbereitet. Die Verlobung mit dem Vaterland bedeutet dabei, dass der Dichter bereit ist, alle persönlichen Bindungen und Gefühle zugunsten des politischen Ziels aufzugeben. Die „Wahrheit“ wird zum „heil′gen Geist“, zum Gott und Seelenhirten, was die politische Überzeugung mit einer religiösen Inbrunst gleichsetzt. Der Schlussvers, „Ich habe keinen Glauben mehr, / Als dass es besser wird“, zeugt von einem unerschütterlichen Vertrauen in den Sieg der Freiheit, das die gesamte Dichtung des Autors leitet.
Glaßbrenners „Mein Dichten und Trachten“ ist ein typisches Gedicht der politischen Dichtung des Vormärz. Es ist eine Manifestation des revolutionären Geistes, der die bestehenden Verhältnisse ablehnt und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in den Mittelpunkt stellt. Der Text ist ein Appell an die Leser, die Ideale des Dichters zu teilen und sich aktiv am Kampf für Freiheit und Einheit zu beteiligen. Das Gedicht ist ein Zeugnis der Überzeugung des Autors, dass Kunst und Politik untrennbar miteinander verbunden sind und dass das dichterische Schaffen eine Waffe im Kampf gegen die Unterdrückung sein kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.