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Die ledernen Hosen

Von

Hoch auf seiner Burg in Oestreich haust ein lust’ger Rittersmann,
Hold des frommen Manns Lutheri neuen Lehren zugethan,
Die aus dumpfen Klostermauern frei und leuchtend einst entstiegen,
Wie aus schwarzen Felsgeklüften Schaaren weißer Tauben fliegen.

Und sie flogen bald auch siegreich über Oestreichs Fluren hin,
Die Verwegnen sah mit Zürnen Kaiser Ferdinandus ziehn,
Und Edikte ließ zermalmend über sie vom Thron er fallen,
Wie von hohen Felsenhorsten Geier mit den scharfen Krallen.

Sonntags früh, als die Gemeinde Glockenklang zur Kirche ruft,
Wallt im grünen Forst der Ritter, freuend sich an Laub und Duft:
»Wer den Herrn nicht kann im Walde, kann ihn auch im Dom nicht ehren,
Und wen nicht die frommen Blumen, wird kein Pfäfflein auch bekehren.«

Sieh, da rauscht’ aus Busch und Dickicht stolz ein Edelhirsch empor,
Doch es streckte schnell zu Boden ihn des Ritters Feuerrohr:
»Wer da zu Mittag des Sonntags seinen Braten will genießen,
Ei, der wird dazu das Wildpret doch wohl auch sich dürfen schießen.«

Als der Ritter kehrt zum Schlosse, steht der Pfarrer vor dem Thor,
Stolz, wie im Triumphe, haltend hoch ein Pergament empor:
»Wer des Sonntags, statt der Messe, Feld- und Waidwerks sich beflissen,
Soll’s mit hundert Golddukaten in den Schatz des Kaisers büßen!

Während ihr in Wäldern Hirsche, oder Böcke schießt vielmehr,
Ward verkündet von der Kanzel dieß Edikt so inhaltschwer.
Mögt verzeihen, edler Ritter, wenn ich’s euch bedauernd sage,
Daß das Meß- und Predigtschwänzen selten goldne Früchte trage!«

»Dießmal,« sprach der Ritter lächelnd, »trug’s doch Gold, wenn auch nicht mir!
Doch mir bleibt die Haut des Hirsches: im Edikt steht nichts von ihr!
Heil dem übergnäd’gen Kaiser, der uns doch die Haut will lassen!
Seht, vielleicht zu einem Wamse oder sonst was kann sie passen!« – –

Einst nach Jahren, als der Kaiser heim von ernster Fahrt gekehrt,
Lud er vor den Thron zu Hofe seine Edlen, treu und werth:
Jeder mög’ in seinem Kleide dann des Landes Farben führen,
Oder sonst mit seinem schönsten, köstlichsten Gewand sich zieren!

In dem Kaisersaale wimmelt’s von Gewändern, roth und weiß,
Sammt und Perlen, Gold und Demant glühn und strahlen rings im Kreis,
Drüberhin mit Wohlbehagen scheint des Kaisers Aug’ zu wallen,
Aber plötzlich ernst und zürnend läßt auf Einen er es fallen.

Und er ruft dann halb mit Lächeln, halb mit droh’ndem Ungestüm:
»Seht, ihr Herrn, doch dort den Bauer und sein Hosenungethüm!
Traun, die gelben Lederhosen reichen fast ihm bis zum Kragen!
Freund, warum willst du des Landes oder meine Farb’ nicht tragen?«

»Herr, weil ihr zu oft sie wechselt!« spricht der Ritter drauf mit Muth,
»Doch des Landes Farben passen für uns Bauernvolk nicht gut!
Vor dem rothen grellen Kleide würden scheu uns alle Stiere,
Und das zarte Weiß stets fürchtet, daß es Gras und Laub beschmiere.

In den theuersten Gewändern, Herr, beschied man uns heran,
Drum die köstlichste und schönste meiner Hosen zog ich an,
Denn mit hundert goldnen Füchsen mußt’ ich sie euch selbst bezahlen.
Wer noch kann mit solcher Hose und mit solchem Schneider prahlen?« –

Wackrer Ritter, aus dem Himmel blickst du nun auf ird’schen Kram,
Wo so gänzlich aus der Mode deine Lederhose kam,
Wo in Seid’ und Sammt wir prunken! – Lächelnd doch siehst du die Gecken
Unbewußt, bis an den Kragen, tief in Lederhosen stecken.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die ledernen Hosen von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die ledernen Hosen“ von Anastasius Grün ist eine humorvolle Satire auf die Gesellschafts- und Modetrends seiner Zeit, eingebettet in eine Anekdote über einen Ritter und Kaiser Ferdinand. Die Geschichte beginnt mit einem Ritter, der Anhänger der neuen Lehren Luthers ist und die Natur der Kirche vorzieht. Er jagt am Sonntag, was ihn in Konflikt mit einem kaiserlichen Erlass bringt, der Strafen für das Fernbleiben vom Gottesdienst vorsieht.

Die eigentliche Pointe des Gedichts entfaltet sich einige Jahre später. Der Kaiser lädt seine Edlen zu einem Fest und erwartet, dass sie die Farben des Landes tragen. Der Ritter erscheint jedoch in einer auffälligen Lederhose, die er angeblich mit Hundert Golddukaten bezahlt hat. Auf die Frage des Kaisers, warum er nicht die Farben des Landes trage, antwortet der Ritter schlagfertig und kritisiert die häufig wechselnden Mode- und Farbvorlieben des Kaisers und seiner Höflinge. Er argumentiert, dass die feinen Stoffe für die Bauern ungeeignet seien und er deshalb die teuerste Hose gewählt habe, die er besaß.

Grüns Gedicht ist mehr als nur eine amüsante Anekdote. Es ist eine bissige Kritik an der Eitelkeit und Modefixiertheit des Adels. Die Lederhose, die der Ritter trägt, symbolisiert seine Unabhängigkeit und seinen Widerstand gegen konventionelle Regeln und gesellschaftliche Zwänge. Sie steht für die bewusste Distanzierung von den oberflächlichen Praktiken der Oberschicht, während der Ritter gleichzeitig die Wertvorstellungen des Bürgertums vertritt. Das Gedicht spielt mit der Ironie, dass die vermeintlich grobe Lederhose letztlich kostspieliger ist als die feinen Gewänder der anderen.

Der Schluss des Gedichts, in dem der Autor aus der Perspektive des Himmels die heutige Zeit betrachtet, verstärkt die satirische Wirkung. Die Lederhose ist aus der Mode gekommen, doch ironischerweise stecken die Menschen im übertragenen Sinne weiterhin in ihr, da sie sich von den Trends und der Konsumkultur, die von der Mode diktiert werden, vereinnahmen lassen. Dies verdeutlicht die zeitlose Gültigkeit der Kritik an der Gesellschaft und der Macht des äußeren Scheins. Grüns Gedicht ist somit eine humorvolle, aber tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Mode, Macht und gesellschaftlicher Konvention.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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