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Die Hexenjagd

Von

»Nun müssen wir reiten durch Nacht und Sturm;
Schon wieder flohn drei aus dem Drudenturm,
Die morgen mir brennen sollten.
Auf, meine Dogge, mein Höllenzwang!
Herbei, ihr Knechte! Denn solch einem Fang,
Dem hat es seit lang nicht gegolten.«
So sprengt aus dem Thore von Lindheim Geiß,
Der grimmige Bauernbedränger;
Ihm folgen die Büttel auf sein Geheiß
Und die Hunde, die Hexenfänger.

Von dannen stürmt er mit wildem Hallo.
Was braut auf dem Moore? Was flackert so loh?
Was huschelt und raunt auf der Wiese?
Dort kauern am Feuer von qualmendem Torf
Die Hanne, der Schrecken vom ganzen Dorf,
Die alte Margret und die Lise;
Sie schaffen am Kessel und rühren geschwind
Das schwarze Gebräu mit der Kelle,
Und schüren die Glut im Wirbelwind:
»Hilf, Teufel! Hilf, Buhlgeselle!«

Da steigt es herauf wie Nebel und Rauch
Und ballt sich und wirbelt um Busch und Strauch
Und kreist und dreht sich in Ringen;
Hier zuckt es empor, dort huscht es im Flug;
Von Hexen wimmelt der ganze Bruch;
Sie hüpfen und lachen und springen.
Mit Besen und Büchse und Zauberknäul
Umtanzen sie Roß und Reiter;
Bald leises Zischeln, bald wüstes Geheul:
»Nur weiter, Herr Geiß, nur weiter!«

Hell wird′s auf der Wiese von rötlichem Licht,
Und Holzstoß drängt sich an Holzstoß dicht
Mit leckenden Flammenzungen.
Herr Geiß hält inne; von links und rechts,
Von vorn und von hinten vernimmt er Geächz;
So hat es noch nie ihm geklungen.
Er sieht durch die Glut und den Wirbeldampf
Der aufwärts lodernden Brände
Gesichter, erbleichend im Todeskrampf,
Und jammernd gerungene Hände.

Nur weiter, nur weiter! Auf einmal klafft
Ein Graben vor ihm; er spornt mit Kraft
Den schnaubenden Renner zum Springen.
Da taucht aus der Tiefe im weißen Gewand
Die tolle Gertraud, die er gestern verbrannt;
In die Arme will sie ihn schlingen.
Er starrt; ihn dünkt, als ob himmelan
Zur Riesin sie wüchs′ und schwölle.
»Hoho! Hoho! – mein süßer Kumpan!
Auf Wiedersehn in der Hölle!«

Jäh, bäumt sich das Roß; ein Fluch noch gellt
Aus dem Munde des Reiters, und taumelnd fällt
Er häuptlings hinab zu dem Schlunde.
Rings fliegen die Hexen heran vom Moor;
Sie klatschen mit Händen; sie jauchzen im Chor
Und tanzen um ihn in der Runde,
Bis gelb die Nebel der Frühe brau′n
Und es dämmert über dem Graben;
Da huschen sie fort durch das Morgengraun
Und lassen die Leiche den Raben.

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Gedicht: Die Hexenjagd von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Hexenjagd“ von Adolf Friedrich Graf von Schack entwirft ein düsteres Bild einer Hexenverfolgung, in der der Jäger selbst zum Gejagten wird. Es beginnt mit der hetzerischen Aufbruchstimmung des Herrn Geiß, der mit seinen Knechten und Hunden ausreitet, um entflohene Hexen zu stellen, die am nächsten Tag verbrannt werden sollen. Die Verse sind voller Dynamik, wobei der Rhythmus der Reiter und die Jagdhunde durch die sprachliche Gestaltung und die gewählten Wörter, wie „sprengt“, „stürmt“ und „huschelt“, eindrucksvoll widergespiegelt werden. Das Gedicht setzt sich in einem Spannungsbogen fort, der die Atmosphäre von Verfolgung und Angst in einer durch und durch finsteren Szenerie erzeugt.

Die zweite Strophe wechselt von der Perspektive der Verfolger zur Beschreibung der Hexen am Moor, die ein mystisches Gebräu zubereiten und den Teufel anrufen. Hier wird der Leser in die Welt des Okkulten und der Hexerei hineingezogen, in der die Hexen in einer fast orgiastischen Szene tanzen und lachen, während sie den Reiter und seine Begleiter verspotten. Die Beschreibung der Hexen ist von einer gewissen Unheimlichkeit geprägt, verstärkt durch die Verwendung von Wörtern wie „qualmendem Torf“, „schwarzes Gebräu“ und „Wirbelwind“, die eine Atmosphäre von Finsternis und Bösem erzeugen. Die Verwendung von direkten Zitaten der Hexen („Hilf, Teufel! Hilf, Buhlgeselle!“) unterstreicht die dämonische Natur und die Bedrohung, die von ihnen ausgeht.

Der Höhepunkt des Gedichts ist die Begegnung des Herrn Geiß mit der Wiedergängerin Gertraud, die er zuvor verbrannt hat. In einem erschreckenden Moment springt er über einen Graben, wird aber von der auferstandenen Hexe in die Tiefe gezogen. Die sprachliche Gestaltung dieser Szene ist besonders dramatisch, mit Verben wie „starrt“ und „bäumt“, die die Panik und das Entsetzen des Reiters verdeutlichen. Die letzte Strophe beschreibt das triumphierende Gelächter der Hexen und das Ende des Herrn Geiß, der in den Tod stürzt, während die Hexen seinen Tod feiern.

Das Gedicht ist eine Mahnung an die Hybris des Menschen und die Folgen von Fanatismus und grausamer Verfolgung. Es zeigt, wie der Jäger selbst zum Opfer seiner eigenen Verfolgungswut wird. Die Verwendung von Bildern der Hölle und der Dämonen verdeutlicht die moralische Verdorbenheit der Hexenverfolgung. Durch die dramatische Erzählweise und die schaurige Atmosphäre wird der Leser in das Geschehen hineingezogen und mit dem unheimlichen Ende konfrontiert, das eine tiefe Kritik an der menschlichen Grausamkeit darstellt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.