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Apostasie

Von

Hie Welf! Hie Waiblinger! Laß sehn!
Nur schwanke nicht hin und her!
Du kannst, ein Ehrenmann, auch stehn
Gegenüber im Feindesheer.

Magst Bär im Geklüft, magst Falk’ im Licht,
Nur Fledermaus nicht sein;
Sei Palme oder Eiche, nur nicht
Das Schlingkraut zwischen den Zwei’n!

Ob Wahn, ob Wahrheit dein Panier!
Wer löst’s, wem glaube dein Herz?
Am Feuer der Treue läut’re dir
Zu Gold unechtes Erz!

Wer trommelnd, trompetend mit uns geht,
Der bessere Held ist’s nicht,
Doch der, so fest zur Fahne steht,
Wenn er kein Wort auch spricht.

Doch schmäht nicht den Mann, der, drüben itzt,
Bei unsrer Fahn’ einst stund!
Sein Blut, schon einst für uns verspritzt,
Ein Siegel ist’s meinem Mund.

Ich sah auch Locken, braun und lang,
Zu dünnem Schnee verwehn,
Manch nervigen Arm, der das Schwert einst schwang,
Betkügelchen zitternd drehn.

Ich sah’s, wie Fieber des Weisen Wort
In Unsinns Gräuel zerbrach,
Ich hörte den Thoren im Irrsinn dort,
Der Perlen der Weisheit sprach.

Ich sah den Raufbold friedlich gemacht,
Verwittert der Jugend Roth,
Den Schwätzer zu ewigem Schweigen gebracht!
Wer kann für Krankheit und Tod?

Will’s Gott, so lang ich gesund, erspäht
Bei diesen Fahnen ihr mich!
Wahr’s Gott, wenn ihr je mich drüben säht,
Dann krank oder todt wär’ ich.

Denkt mein wie eines Todten dann;
Es mag wohl bitter sein,
Vorbeizugehn als lebend’ger Mann
Am eignen Leichenstein.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Apostasie von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Apostasie“ von Anastasius Grün ist eine eindringliche Mahnung an Loyalität, Standhaftigkeit und die Bewahrung von Integrität in Zeiten politischer und ideologischer Wirren. Der Titel, „Apostasie“, was so viel wie „Abfall“ oder „Glaubensverleugnung“ bedeutet, deutet bereits auf das zentrale Thema des Gedichts hin: die Gefahr des Verrats an seinen Überzeugungen und die Verlockung, die Seiten zu wechseln. Die ersten Strophen setzen den Ton für diese Thematik, indem sie zum Stehenbleiben und zur klaren Parteinahme auffordern, selbst wenn man sich im feindlichen Lager befindet.

Grün verwendet eine starke Bildsprache, um seine Botschaft zu untermauern. Er vergleicht unsichere Menschen mit einer Fledermaus, die zwischen Licht und Schatten schwankt, und appelliert stattdessen an die Tugenden von Beständigkeit und Loyalität, verkörpert durch Symbole wie Palme und Eiche. Das Gedicht warnt vor Opportunismus und fordert zur inneren Läuterung auf, um „unechtes Erz“ im Feuer der Treue zu „Gold“ zu veredeln. Die Betonung liegt auf der Bedeutung von fester Überzeugung und dem Festhalten an seinen Prinzipien, selbst wenn dies mit Leid und Verlust verbunden ist.

In den späteren Strophen wird die Tragweite des Themas durch persönliche Beobachtungen und Erfahrungen erweitert. Der Dichter erinnert sich an Menschen, die ihre Überzeugungen aufgegeben haben – seien es weise Männer, die dem Wahnsinn verfallen sind, oder rauflustige Charaktere, die sich der Friedfertigkeit zuwandten. Diese Beobachtungen unterstreichen die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und die Unvermeidlichkeit von Krankheit und Tod, die dazu führen können, dass Menschen ihre Positionen ändern. Der Dichter betont jedoch, dass er, solange er gesund ist, treu zu seinen Überzeugungen stehen wird.

Die letzten Strophen des Gedichts sind eine kraftvolle Bekundung der Loyalität und ein Bekenntnis zur eigenen Integrität. Der Dichter bekräftigt seine feste Überzeugung, dass er niemals die Seiten wechseln wird, und er vergleicht den Gedanken, im gegnerischen Lager zu stehen, mit dem Vorbeigehen an seinem eigenen Grabstein. Dieser Vergleich verdeutlicht die tiefe emotionale Bedeutung der Loyalität für den Dichter und die unerträgliche Natur des Verrats an den eigenen Überzeugungen. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Reflexion über die Bedeutung von Loyalität, sondern auch ein persönliches Gelöbnis, das dem Leser als Inspiration und Mahnung dient.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.