Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , ,

An den Genius

Von

Sei du mir treu, bis ich von hinnen muß,
Der durch die Welt du mich bisher geleitet!
Wie für die Wonnen, die du mir bereitet,
Soll ich dir danken, hoher Genius?
Arm wär′ ich ohne das, was du gegeben,
Und, flöhest du, was gölte mir dies Leben?

Als Knabe schon, wenn ich von den Genossen,
Den lärmenden, zur Einsamkeit entfloh,
In meiner Seele, allen sonst verschlossen,
Empfand ich deinen Odem stolz und froh,
Und leicht ward in der Jugend goldner Frühe
Durch dich mir jede Pein und jede Mühe.

Tief der Natur ins heil′ge Auge schauen,
Ihr in des Herzens Allgeheimstes spähn
Mich lehrtest du, und im Gewittergrauen
Des Donners ernste Rede zu verstehn,
Und in der Bergschlucht, wo die Wasser rauschen,
Der großen Mutter Worte zu belauschen.

Mit Wesen, die sich selber mein Gedanke
Erschuf, den luft′gen Kindern meines Traums,
War mein ein hohes Leben sonder Schranke
In einer Welt jenseits des Raums,
Und fort und fort mich nährtest du mit hehren
Traumbildern und der alten Weisheit Lehren.

Die durst′gen Lippen labte mir der Quell,
Der nie versiegende, von Kunst und Dichtung,
Und an den Geistern, welche aus Vernichtung
Und Trümmern ihrer Welt zu uns noch hell
Herüberstrahlen durch der Zeiten Nacht,
Hab′ ich des eignen Geistes Licht entfacht.

Mit Indiens Weisen in den Siedelein,
Wo Ganga rauscht an Wasserlilienbeeten,
Mit Zoroaster bei des Feuers Schein,
Des heiligen, zu dem die Parsen beten,
Wie mit Arabiens kühnen Wüstensöhnen
Sprach ich vertraut in ihrer Sprache Tönen.

Und gleich dem Geist, nicht haftend an der Scholle,
Schritt pilgernd auch mein Fuß von Land zu Land;
Die Erde breitete wie eine Rolle
Ihr Schönstes vor mir aus; bald hoch vom Rand
Des Schiffs, bald von der Alpen steilstem Pik
In ihren Wundern schwelgte mir der Blick.

Für alles, was erhaben ist und groß,
Ließ mir Italien die Seele flammen,
An ihrer Brust erzogen, hehre Ammen,
Sie die Sibyllen Michel Angelos,
Und in des Tabor himmlischem Gesicht
Trug Raffael sie auf zum ew′gen Licht.

Ich sah beim Grab Achills am Meeressaum
Die Welt Homers sich aus der Flut erheben,
Und träumte mit dem hundertthor′gen Theben,
An eine Sphinx gelehnt, den Urwelttraum,
Bis übern Nil daher geheimnisvoll
Der Morgengruß von Memnons Lippen quoll.

Durchs Leben zog ich so, der Wolke gleich,
Die sonnengolddurchglüht am Himmel gleitet;
Selbst wenn sich Leidensnacht um mich gebreitet,
Fühlt′ ich mich stark durch dich und froh und reich;
Du hast, erhabner Geist, ein Licht von oben
In meine trübsten Stunden selbst gewoben.

Und sei′s! Führst du dereinst, o Genius,
Die letzte mir herauf der Erdensonnen,
Zum großen Gange gieb durch deinen Kuß
Die Weihe mir! Unsterblich sind die Wonnen,
Ich fühl′ es, die mir deine Huld verlieh;
Ins Jenseits auch hinüber nehm′ ich sie.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An den Genius von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An den Genius“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine Ode an den Geist, die Muse oder den inneren Begleiter des Dichters, der ihn durch das Leben geführt und ihm Inspiration und Trost geschenkt hat. Es ist ein Lobgesang auf die unermüdliche Begleitung und die lebenslange Bereicherung durch den Genius, der dem Dichter Schönheit, Wissen und Stärke gegeben hat.

Das Gedicht lässt sich in mehrere Abschnitte unterteilen, die die verschiedenen Aspekte der Beziehung zwischen dem Dichter und seinem Genius hervorheben. Der erste Abschnitt (Verse 1-6) ist eine Anrufung und ein Dank an den Genius für seine treue Begleitung und die Freuden, die er dem Dichter bereitet hat. Der zweite Abschnitt (Verse 7-12) beschreibt die frühe Kindheit und Jugend des Dichters, in der der Genius ihn bereits begleitete und ihm die Welt der Poesie und Einsamkeit eröffnete. Der dritte Abschnitt (Verse 13-18) widmet sich der Inspiration durch die Natur, die der Genius dem Dichter offenbarte und ihm die Fähigkeit gab, die tiefe Weisheit der Natur zu verstehen.

Der vierte Abschnitt (Verse 19-24) handelt von der Schöpfungskraft des Dichters, die durch den Genius beflügelt wurde, und von seiner Fähigkeit, in eine Welt jenseits der Realität einzutreten. Der fünfte Abschnitt (Verse 25-30) preist die Quelle der Kunst und Dichtung, aus der der Dichter durch seinen Genius schöpfen konnte, sowie die Begegnung mit den Geistern der Vergangenheit. Der sechste Abschnitt (Verse 31-36) beschreibt die Reisen des Dichters und seine Begegnungen mit verschiedenen Kulturen und Philosophien. Der siebte Abschnitt (Verse 37-42) konzentriert sich auf die künstlerische Inspiration, insbesondere durch Italien, und die Begegnung mit großen Künstlern und Kunstwerken. Der achte Abschnitt (Verse 43-48) schildert die Reise durch die Geschichte und die Begegnung mit antiken Orten und Kulturen.

Der neunte Abschnitt (Verse 49-54) beschreibt die beständige Begleitung des Genius durch das Leben, auch in schwierigen Zeiten. Der letzte Abschnitt (Verse 55-60) ist ein Ausblick auf den Tod und die Hoffnung des Dichters, dass der Genius ihn auch im Jenseits begleiten und ihm die Unsterblichkeit der durch ihn erlangten Freuden schenken wird. Das Gedicht ist also eine Liebeserklärung an den Genius und ein Bekenntnis zur unerschütterlichen Kraft der Kunst und der Inspiration. Der Dichter hat durch seinen Genius ein reiches und erfülltes Leben erfahren, und er hofft, diese Bereicherung auch im Jenseits fortsetzen zu können.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.