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Botenart

Von

Der Graf kehrt heim vom Festturnei,
Da wallt an ihm sein Knecht vorbei.

Hallo, woher des Wegs, sag’ an!
Wohin, mein Knecht, geht deine Bahn?

»Ich wandle, daß der Leib gedeih’,
Ein Wohnhaus such’ ich mir nebenbei.«

Ein Wohnhaus? Nun, sprich grad’ heraus,
Was ist geschehn bei uns zu Haus?

»Nichts Sonderlich’s! Nur todeswund
Liegt euer kleiner weißer Hund.«

Mein treues Hündchen todeswund!
Sprich, wie begab sich’s mit dem Hund?

»Im Schreck eu’r Leibroß auf ihn sprang,
Drauf lief’s in den Strom, der es verschlang.«

Mein schönes Roß, des Stalles Zier!
Wovon erschrak das arme Thier?

»Besinn ich recht mich, erschrak’s davon,
Als von dem Fenster stürzt’ eu’r Sohn.«

Mein Sohn? Doch blieb er unverletzt?
Wohl pflegt mein süßes Weib ihn jetzt?

»Die Gräfin rührte stracks der Schlag,
Als vor ihr des Herrleins Leichnam lag.«

Warum bei solchem Jammer und Graus,
Du Schlingel, hütest du nicht das Haus?

»Das Haus? Ei, welches meint ihr wohl?
Das eure liegt in Asch’ und Kohl’!

Die Leichenfrau schlief ein an der Bahr’,
Und Feuer fing ihr Kleid und Haar.

Und Schloß und Stall verlodert’ im Wind,
Dazu das ganze Hausgesind!

Nur mich hat das Schicksal aufgespart,
Euch’s vorzubringen auf gute Art.«

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Botenart von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Botenart“ von Anastasius Grün ist eine bitterböse Ballade, die auf humorvolle Weise eine Katastrophe nach der anderen enthüllt. Die Geschichte wird durch eine dialogartige Konversation zwischen einem Grafen und seinem Knecht vorangetrieben. Der Knecht, der als Bote der Unglücks eintritt, nutzt eine zunehmend indirekte und umständliche Art, dem Grafen die verheerenden Ereignisse zu überbringen, was den Spannungsbogen des Gedichts aufbaut.

Die Ironie und der schwarze Humor des Gedichts entspringen der Art und Weise, wie der Knecht die schrecklichen Neuigkeiten enthüllt. Beginnend mit eher harmlosen Nachrichten wie dem Tod des Hundes, steigert sich das Unglück kontinuierlich, bis das gesamte Anwesen, inklusive Familie, Haus und Stall, in Schutt und Asche liegt. Die stufenweise Offenbarung des Schreckens dient dazu, die Absurdität der Situation zu betonen und die Reaktionen des Grafen, der von einem anfänglichen Interesse an den Details zu zunehmendem Entsetzen übergeht, hervorzuheben.

Die Struktur des Gedichts, basierend auf den sich wiederholenden Fragen des Grafen und den ausweichenden Antworten des Knechts, verstärkt den dramatischen Effekt. Die Verwendung von Reimen und einem klaren Metrum verleiht der Ballade eine rhythmische Qualität, die dem Schrecken eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Der Kontrast zwischen der formalen Struktur und dem katastrophalen Inhalt erzeugt eine bemerkenswerte Spannung, die den Leser oder Zuhörer bis zum überraschenden und schockierenden Ende fesselt.

Die letzte Strophe, in der der Knecht die Zerstörung des gesamten Anwesens enthüllt, gipfelt in dem zynischen Kommentar, dass er verschont wurde, um dem Grafen die schlechte Nachricht zu überbringen. Diese Wendung unterstreicht die Tragikomik der Situation und wirft Fragen nach dem Sinn von Loyalität und dem Wesen des menschlichen Schicksals auf. Der Bote, der eigentlich gute Nachrichten bringen sollte, wird hier zum Überbringer des größten Unglücks, wodurch das Gedicht seinen makabren Reiz entfaltet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.