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Der Fürstenjüngling

Von

Uebergang.

Gepflanzt hat eine Rebe der Winzer vor sein Haus,
Manch frisches saft’ges Blättlein treibt sie im Lenz heraus,
Der Sprößling schüttelt freudig des Laubes üppig Grün,
Und grüßet Lenz und Erde, und Erd’ und Lenz grüßt ihn;

Und Frühling kommt auf Frühling, der Stamm dringt kühn hervor,
Und höher, immer höher steigt sein Gezweig empor,
Und reicher, immer reicher schwillt seiner Blätter Schaar,
Und beut mit grünen Armen die erste Traube dar.

Der Winzer setzt ihm Stäbe, dran er sich ranken kann,
Doch frei in luft’gem Bogen schlingt er sich stolz hinan,
Und Frühling folgt auf Frühling und Laub in Füll’ entquillt
Und deckt die ganze Hütte, gleichwie ein grüner Schild;

Und wölbt sich dicht zur Kuppel, dran Blatt an Blatt sich drängt,
Und wölbt sich kühl zur Laube, dran Traub’ an Traube hängt;
Rings flattern Vögel, die singen ihr Liedlein dort so gern;
Denn wo die Reben glühen, bleibt auch kein Sänger fern.

Ei, Winzerin und Winzer, wie mocht’ euch’s Wonne sein,
Als ihr so schön und kräftig den Sprößling saht gedeihn!
Es ruhen Freundschaft, Liebe und Fried’ im Laubenhaus,
Und Gläserklang und Psalmton und Jubel klingt heraus!

O Leonor’ und Friedrich, wie mocht’ euch’s Wonne sein,
Als ihr so reich und herrlich den Sohn nun saht gedeihn!
Wie er vom Kind zum Knaben, zum Jüngling dann erblüht,
Dem Lenz auf ros’ger Wange und Lenz im Herzen glüht;

Und wie der Welt so sorglos der Knab’ entgegenblickt,
Den an des Vaters Krone nichts als der Glanz entzückt;
Wie sich des Daseins Räthsel dem Jüngling dann erschloß,
Und ihm an jener Krone das Kreuz nicht deutungslos;

Wie was ihm eingepflanzet Schulwitz undUnverstand
Ein unfruchtbares Felsstück an seinem Busen fand;
Wie dem, was Licht und Weisheit und Recht in ihm gesät,
Sein Herz ein üppig Erdreich, das voller Saaten steht.

Oft sah, sein Kahlhaupt schüttelnd, bedenklich Friedrich drein,
Gleichwie ein Lahmer beim Tanze muthwill’ger Jugendreih’n;
Lenorens Herz doch wogte nun stolz und freudenreich,
Oft lispelt sie wohl heimlich: sei nie dem Vater gleich!

Wie herrlich, Fürstensöhne, steht ihr im Leben da!
Vom Hoffnungsstrahl wird trunken, wer euch ins Auge sah;
Die stolze Morgenwolke ist euer glänzend Bild,
Wenn sie das goldne Frühroth verschleiernd noch umquillt.

Ein Lenz seid ihr voll Blüthen, in Knospen noch gewiegt,
Ein Himmel voller Sterne, noch vom Gewölk’ umschmiegt,
Ein Meer seid ihr voll Perlen, bedeckt von Fluthennacht,
Ein Berg von Diamanten, verborgen noch im Schacht.

Heil, wenn einst euer Tag ruft! Das Frühroth flammt hervor,
Demanten, Sterne, Perlen und Blüthen tauchen empor!
Dann streut nicht als Almosen dem Volk eu’r Morgenlicht,
Sein langes stilles Hoffen schuf euch’s zur schönen Pflicht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Fürstenjüngling von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Fürstenjüngling“ von Anastasius Grün ist eine vielschichtige Metapher, die das Aufwachsen eines Fürstensohnes und dessen Entwicklung von der Jugend bis zum Eintritt ins Erwachsenenleben behandelt. Es beginnt mit einem bildreichen Vergleich des Fürstensohnes mit einer Weinrebe, die vom Winzer gepflanzt und gehegt wird. Diese Metapher dient dazu, die anfängliche Unschuld und das Potenzial des jungen Mannes zu verdeutlichen. Der Reben-Anfang mit dem Frühling assoziiert, wächst und gedeiht, was mit der Entwicklung des Fürstenjünglings gleichgesetzt wird.

Die zentralen Verse des Gedichts heben die Gefühle der Eltern, Friedrich und Leonore, hervor, die stolz die Entwicklung ihres Sohnes beobachten. Hier wird die Verbindung zwischen dem physischen Wachstum der Rebe und dem Werdegang des jungen Adligen in den Vordergrund gerückt. Der Dichter beschreibt, wie der Sohn vom Knaben zum Jüngling heranwächst, wobei die jugendliche Sorglosigkeit und die zunehmende Erkenntnis der Welt thematisiert werden. Die Eltern, insbesondere Friedrich, scheinen die Entwicklung des Sohnes kritisch zu beobachten, während Lenore mit Stolz und Freude erfüllt ist.

Im weiteren Verlauf entwickelt sich die Metapher des jungen Fürsten als „Lenz“ mit „Blüten“, „Sterne“ und „Perlen“, ein Bild von unberührter Schönheit und verborgenem Potenzial. Diese Bilder unterstreichen die Hoffnungen, die mit der jungen Generation verbunden sind, und die Erwartungen an die Zukunft. Es wird eine Warnung ausgesprochen, nicht zu kurzsichtig zu agieren und seine Macht nicht nur zur eigenen Selbstverherrlichung zu nutzen, sondern auch für das Wohl des Volkes einzusetzen, symbolisiert durch die „schöne Pflicht“.

Die letzten Zeilen des Gedichts betonen die Verantwortung, die der Fürstenjüngling als zukünftiger Herrscher trägt. Sie fordern ihn auf, sein Potenzial zu entfalten, sein „Morgenlicht“ nicht als Almosen zu verteilen, sondern die Hoffnungen des Volkes zu erfüllen. Das Gedicht ist somit eine Mahnung zur Besonnenheit, zur Selbstreflexion und zur Verantwortung für das Gemeinwohl. Es verbindet die natürliche Entwicklung des Menschen mit den politischen Implikationen seines Standes.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.