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Dem Erzherzog-Reichsverweser

Von

»Wenn das Vaterland ruft, ist es Pflicht, seine letzte Kraft, seine letzten Jahre demselben zu weihen – – da habt Ihr mich, ich gehöre zu Euch.«

Es war ein seltner Lenz; er kam in Wettern,
Mit Donnerkeilen, Welten zu zerschmettern;
Ihr saht ihn dröhnend über Deutschland rollen:
Das war des Volkes lang verhaltnes Grollen;
Es war ein schön, gewitterprächtig Zürnen,
Gerechter Zorn vergöttlicht Männerstirnen. –
Ein armer Lenz! Wer dächte jetzt an Rosen,
An Nachtigallen und an Blüthentriebe?
Wen rührt′s, daß Wald und Lenzluft flüsternd kosen?
Der Frühling starb wie die verschmähte Liebe.
Und dennoch reich ist dieser Lenz vor allen,
Denn über seine Blumen schritt die Freiheit,
Um siegreich in das deutsche Land zu wallen,
Und seine Lüfte wehn mit Wohlgefallen
Im Banner lang verpönter Farbendreiheit.

Da sprach das Volk: »Daß Freiheit, meine Braut,
Nicht im Vorbeiflug nur mein Haus berühre,
Daß sie′s zu lieber Wohnstatt sich erküre,
Sei sie mit goldnem Ring mir angetraut:
Der starke Ring der Einheit soll es sein,
Sein Zauberkreis schließ′ all mein Deutschland ein!
Dem Hause will ich treue Wächter stellen
Und einem treuen Führer sie gesellen;
Der Führer sei des Volkes klarer Spiegel,
Der Kern und Mittelpunkt auf deutscher Erde,
Er sei des Einheitrings gefeites Siegel,
Auf daß sein Herz das Herz von Deutschland werde.
Ein Muth′ger sei′s! Muth gilt es ohne Gleichen,
So vielbedrohte Schätze zu bewachen.
Ich will ihn stark und groß und mächtig machen!
Nicht in die Königsgräber will ich schleichen,
Nicht aus dem Kaiserschrein Kleinode fodern;
Laßt rosten Karols Schwert, sein Pallium modern,
Die Gruft bestatte alter Ehren Leichen;
Was ich ihm biete, mag am Tage wallen,
Es wird nicht an der Luft in Staub zerfallen.
Sein Haupt beschirmt der Bürgerkrone Segen,
All meine Kraft will ich in seinen Degen
Und in sein Herz all meine Liebe legen,
Von Gottes Gnaden herrscht nur Wind und Wolke;
Es sei ein großer heil′ger Bund der Seelen,
Wo statt der Sieben jetzt Millionen wählen
Den Ersten der Erkorenen vom Volke!«

Wer sei der Mann? Des Volkes Boten zogen
Vorbei an Königsburgen ohne Fragen,
Dem Prunke sind die Schlichten nicht gewogen,
Durch eigne Größe darf der Mann nur ragen.
Sie treten in der Armut stille Räume;
Gern schmückt das Volk die Stuben mit den Bildern
Geliebter Männer seiner Hoffnungsträume
Und stellt als Laren sie zu Heil′genschildern
Und weiht sie zu Vertrauten seiner Kreise.
Da sind viel Heldenbilder, Redner, Weise;
Ein Bild doch fesselt alle: In die Luft
Ragt eine Alpenwand, rings gähnt die Kluft;
Da steht ein Mann hocheinsam, im Gewande
Des Jägervolks aus grünem Steirerlande;
Umhüllt von Nebeln sind die schroffen Stege,
Doch spricht sein Blick: Wer in das Berggehege
Sich wagen will, gut prüf′ er das Gestein;
Verstieg er sich, wird er′s nur selber büßen!
Er weiß: hier gilt der Mann durch sich allein.
Sein Antlitz trägt ein fürstlich Stammgepräge,
Dran weilt ein deutsches Auge mit Vergnügen,
Denn es begegnet Karls und Josephs Zügen,
Die Deutschland nie zu den Vergeßnen lege!
Des Malers Bild ergänzt das Volk mit Sagen,
Erinn′rung spricht von alt′ und jungen Tagen,
Ja, unterm Lodenrock schlägt hier ein Herz,
Das mitgefühlt des Volkes herbsten Schmerz,
Das Heilung sucht im Volk für Fürstenleiden;
Die Freiheit aber bringt Genesung beiden. – –
Da riefen all′ die Boten im Verein:
»Das ist der Mann, kein Andrer soll es sein!«

Die Lust war fremd der deutschen Luft geworden,
Drum ruft sie in so volleren Akkorden
Zu dir, mein Fürst, den alle Lippen loben,
Den alle Hände auf den Schild gehoben.
Und wieder kam′s wie Wettersturm gezogen
Und braust zur Ostmark und zur Nordsee mächtig;
Das sind des Freudenmeeres laute Wogen!
Wie tost des Völkerjubels Brandung prächtig!
Nach Fluthenbrauch doch werden bald die Wellen
Mit leiserm Klang zergehn, verwehn, zerschellen;
Und wenn der Wellen letzte still zerrann,
Stehst du, wie einst, ein einsam einzler Mann
Auf steilster Höh′, auf unnahbaren Zinnen,
Dein Wächteramt, das schwere, zu beginnen.
Dort droht die Wand an schwindeljähen Klüften,
Die Stege sind verhüllt von Nebeldüften,
Kobold und Molch umlauern deine Bahnen;
Kein Engel hält die Wache dir in Lüften
Gleich jenem, der einst Retter deines Ahnen.
Du bist gewohnt der Bergluft frischen Hauch,
Ihr gleicht die Luft der jungen Freiheit auch;
Sie streicht oft rauh und scharf, doch kerngesund,
Erfrischt das Herz und stählt des Armes Mark;
Wer sie verträgt, den macht sie jung und stark
Und schärft sein Aug′ zum Blick ins Weltenrund.

In solcher Kraft, in solcher Liebe wage
Das kühne Werk, ob auch die Seele zage!
Wir aber fragen dann beim nächsten Lenze
Nach Blumen wohl für neue Bürgerkränze.

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Gedicht: Dem Erzherzog-Reichsverweser von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dem Erzherzog-Reichsverweser“ von Anastasius Grün ist eine politische Huldigung und gleichzeitig eine Mahnung an den Erzherzog Johann von Österreich, der im März 1848 zum Reichsverweser des Deutschen Reichs gewählt wurde. Das Gedicht, das aus vier Strophen besteht, zeichnet ein Bild der Hoffnung, der Erwartung und der Verantwortung, die mit der neuen Position einhergingen, und thematisiert die Herausforderungen der deutschen Einigungsbestrebungen im Kontext der Revolution von 1848.

Die erste Strophe beschreibt die revolutionäre Stimmung als einen „seltnen Lenz“, der die deutsche Nation erfasst hat. Der „Donnerkeil“ und das „Grollen“ des Volkes deuten auf die gewaltsame Umwälzung und den Kampf für Freiheit und Einheit hin. Der Autor kontrastiert dieses revolutionäre Aufbegehren mit der Sehnsucht nach den einfachen Freuden des Lebens, wie Rosen und Nachtigallen, die in diesem Kontext jedoch in den Hintergrund treten. Der „arme Lenz“ wird durch die Ankunft der Freiheit als Triumph des Volkes überwunden, die als „Braut“ mit einem goldenen Ring (Einheit) verehelicht werden soll. Die zweite Strophe betont die Notwendigkeit einer starken Führung, die die Interessen des Volkes vertritt, mit einem „treuen Führer“ als Spiegel der Volksseele.

Die dritte Strophe beschreibt die Suche nach dem geeigneten Führer und lenkt die Aufmerksamkeit auf Erzherzog Johann. Die Beschreibung seiner Person, als einem Mann aus dem Volk, der die Fähigkeit besitzt, das Volk zu einen, wird in den Vordergrund gerückt. Das Gedicht deutet auf Johanns volksnahe Herkunft und seine Verbundenheit mit dem einfachen Volk hin. Durch die Betonung von Tugenden wie „Muth“ und „Kraft“ wird er als die ideale Person für die Aufgabe des Reichsverwesers dargestellt. Das Gedicht, mit dem „Berggehege“ und dem „Mann im grünen Steirerlande“, stellt Johann in eine einsame, aber eindrucksvolle Position, die sowohl seine Stärke als auch die Herausforderungen seines Amtes betont.

In der vierten Strophe richtet sich das Gedicht direkt an den Erzherzog. Es wird die Freude über seine Wahl ausgedrückt, aber gleichzeitig auch auf die Einsamkeit und die Gefahren hingewiesen, die mit seiner Rolle verbunden sind. Die Metaphern von den „schwindeljähen Klüften“ und den „Nebeldüften“ deuten auf die Schwierigkeiten und die politischen Fallstricke hin, die auf Johann warten. Das Gedicht ermutigt ihn, die „junge Freiheit“ mit Mut und Stärke zu bewahren. Die abschließende Zeile, die die Hoffnung auf einen neuen Frühling und Bürgerkränze ausspricht, suggeriert ein optimistisches Vertrauen in die Zukunft, auch wenn die Herausforderungen enorm sind. Das Gedicht ist somit ein Lobgesang auf Johann, aber auch eine Mahnung, seine schwere Verantwortung wahrzunehmen und die Einheit Deutschlands zu bewahren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.