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An den Kaiser

Von

Vor den Thron des Hochgewalt’gen tritt nun frei und kühn mein Lied,
Vor den Herrscher, dem ein dreifach Kronenband die Stirn umzieht:
Jene alte goldne Krone, deren Glanz, bevor sie sein,
Durchgewallt von Haupt zu Haupte seiner Ahnen lange Reihn;

Jene schöne Silberkrone, deren schützend Zauberband
Um des Greises Haupt das Alter weiß und rein und heilig wand;
Und die dritte, schönste Krone, die ihm milde Güte flicht,
Segensreich wie Frühlingshimmel, hehr wie leuchtend Mondenlicht!

Scheu und fern den Königssälen keimt’ und wuchs und blüht mein Lied,
Weil das Kind des freien Aethers bang des Zwanges Wohnung flieht;
Aber Kronen, so wie diese, bannen, schrecken es wohl nicht,
Nein, sie winken mild und freundlich, und so tritt’s vor ihn und spricht:

»Herr, du warst einst bang und traurig, und gebrochen war dein Herz,
Da erschlossen unsre Herzen reich und warm sich deinem Schmerz!
Lasse jenes Hochgewitters gern dich mahnen immerdar,
Da es hell den Regenbogen unsrer Liebe dir gebar!

Herr, du standst beraubt des Schildes, waffenlos und unbewehrt,
Da erstand die Kraft des Volkes, Mann an Mann, und Schwert an Schwert!
Rings um dich sahst du’s im Kreise, wie ein Feld voll Garben steh’n,
Das der nächste Lenz erneute, wenn im Herbst du’s ließest mäh’n!

Herr, du warst einst arm und dürftig! Sieh, da boten freudig dir
Väter ihrer Kinder Erbe, Jungfraun ihre goldne Zier;
Alles gab das Volk dir gerne, und behielt nur jenes Gold,
Drin sich seine Berge sonnen, das in seinen Herzen rollt.

Jetzt sind wir verarmt und dürftig, wehrlos und gebeugt von Schmerz!
O erschließe warm und freudig du dem Volke jetzt dein Herz!
Gib ihm Waffen, helle, scharfe: Offnes Wort in Schrift und Mund!
Gib ihm Gold, gediegnes, reines: Freiheit und Gesetz im Bund!

Deine Lande stehn voll Segen, reich und schön wohl ringsumher,
Frei und reich in goldnen Wogen rollt der Saaten weites Meer,
Sieh, wie stolz die Wälder rauschen, wie die Reben saftig glüh’n,
Voll Metall die Berge ragen, segelreich die Ströme zieh’n!

Und dein Volk, wie ganz dem Boden, nur an Freiheit, ach, nicht gleich!
Sieh die edlen Keim’ und Blüthen, so gesund, so schön und reich!
Herr, sei du der Frühlingsodem, welcher frei sie wachsen heißt,
Sei die Sonne, die sie reifet, und darüber segnend kreist!

O dann wird das Volk auch blühen, wie die Fluren ringsumher,
Und sein Geist wird Aehren tragen, innren Marks und Kernes schwer,
Wie die Rebe wird er sprießen, die sich frei und fröhlich schlingt,
Und wohl auch als Hochwald grünen, der manch Blatt zum Kranz dir bringt!

Herr, gib frei uns die Gefangnen: den Gedanken und das Wort! –
Sieh, es gleicht der Mensch dem Baume, schlicht und schmucklos grünt er fort;
Doch wie schön, wenn der Gedanke dran als bunte Blüthe hängt,
Und hervor das Wort, das freie, reif als goldne Frucht sich drängt!

Und es gleicht der Mensch dem Strome, unbelebt und öde nur
Eine todte Wasserhaide dehnt er flach sich durch die Flur;
Doch wie herrlich, wenn darüber frei und fröhlich, her und hin,
Die Gedanken gleichwie Schifflein und wie Silberschwäne zieh’n!

Herr, es strahlt vor deinen Augen eines Doms gewalt’ger Bau,
Dessen Thurm, ein frommer Riese, hoch durchragt des Himmels Blau!
Und dein Volk war’s, das ihn baute! Welches mag die Deutung sein?
Ei, wir finden in den Himmel selber wohl den Weg hinein!

Deiner Kaiserstadt nicht ferne liegt ein Schlachtfeld, weit und groß,
Wo für dich, für Land und Freiheit deines Volkes Blut einst floß;
O beim Himmel, wessen Herzen für dich bluten du geseh’n,
Dessen Geist wird wahrlich nimmer gegen dich in Waffen steh’n!

Freies Blut düngt jene Fluren; Herr, wie mocht’ es denn gescheh’n,
Daß sie nicht schon längst voll Rosen heil’ger Freiheit üppig steh’n?
Einem Meer gleicht jene Ebene; welch ein seltner Sternenlauf,
Daß das Morgenroth der Freiheit draus nicht längst schon stieg herauf?

O gib frei uns den Gedanken und auch seinen Freund: das Wort!
Denn es sind gar wackre Gärtner für die Rosenkeime dort;
Zu den Lorbeern und den Palmen, die dein greises Haupt umweh’n,
Müßten gut und schön die Rosen jugendlicher Freiheit steh’n!

Frei das Wort, frei der Gedanke! Wackre Schiffer sind es schier;
Will nicht aus dem Meer die Sonne, segeln sie entgegen ihr!
Bald dann flammt die Morgenröthe, und es klingt in ihrem Schein
Mehr als eine Memnonssäule hell durchs Land, und voll und rein!« –

Also spricht das Lied, das freie. Vater Franz, du zürnest nicht,
Daß dir’s nahte ungemeldet, ungefragt es zu dir spricht;
Sieh, es ist die Frühlingsschwalbe, die an deine Fenster pickt,
Und auch ungefragt dich mahnet, wie die Freiheit hoch beglückt!

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Gedicht: An den Kaiser von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An den Kaiser“ von Anastasius Grün ist eine politische Ansprache in Versform, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Es ist ein Appell an Kaiser Franz, in dem das Volk um mehr Freiheit und Rechte bittet. Das Gedicht ist in einer erhabenen, pathetischen Sprache verfasst, die dem Anlass einer direkten Ansprache an den Kaiser entspricht und seine Bedeutung unterstreicht.

Grün beginnt mit einer Huldigung an den Kaiser, indem er dessen drei Kronen beschreibt, welche die Tradition und Macht des Herrschers symbolisieren. Die Erwähnung der „alten goldnen Krone“, der „schönen Silberkrone“ und der „dritten, schönsten Krone“ deutet auf verschiedene Aspekte der kaiserlichen Macht hin: die Tradition, die Weisheit und die Tugend. Im weiteren Verlauf des Gedichts wird diese anfängliche Ehrung jedoch als Grundlage für die Forderungen des Volkes genutzt. Das Gedicht erinnert den Kaiser an die Verbundenheit zwischen ihm und seinem Volk, insbesondere in Zeiten der Not, und fordert ihn auf, nun seinerseits dem Volk zu helfen und ihm Freiheit zu gewähren.

Der Kern des Gedichts liegt in den Forderungen nach Freiheit für das Volk. Grün bittet den Kaiser, dem Volk „offnes Wort in Schrift und Mund“, also Meinungsfreiheit und Pressefreiheit, sowie „Freiheit und Gesetz im Bund“ zu gewähren. Diese Forderungen sind in den Kontext der damaligen politischen Verhältnisse einzuordnen, als die Meinungsfreiheit in vielen europäischen Staaten eingeschränkt war. Das Gedicht nutzt eindringliche Metaphern, um die Notwendigkeit von Freiheit zu verdeutlichen, indem es den Gedanken und das Wort mit lebendigen Bildern wie Bäumen und Flüssen vergleicht, die ohne Freiheit verkümmern.

Das Gedicht endet mit einem emphatischen Appell an den Kaiser, die „Gefangenen“ des Denkens und des Wortes zu befreien, und deutet damit auf die Wichtigkeit der Meinungsfreiheit und der freien Entfaltung des Geistes hin. Die abschließenden Zeilen vergleichen das Gedicht selbst mit einer Frühlingsschwalbe, die ungefragt an die Fenster des Kaisers klopft, um ihn an die Bedeutung der Freiheit zu erinnern. Dies unterstreicht die Überzeugung des Dichters, dass Freiheit für das Wohl des Volkes unerlässlich ist. Die Schlusspassage zeigt das Selbstbewusstsein des Dichters, der sich als Sprecher des Volkes versteht und mit seinem Lied die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verkündet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.