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Ein Held

Von

Im Lippenrosenbett geboren
Ward uns das freie Wort, ein Held;
Wer sieht’s dem Weichling an, erkoren
Sei er zu herrschen ob der Welt?

Wie lang, daß festen Tritt er lerne,
Ist er ans Gängelband verdammt,
Bis ihn, gediehn zu Mark und Kerne,
Des Gottes Funke ganz durchflammt.

In Kindesunschuld würgt er spielend
Alciden gleich der Schlangen Schwall,
Vom Firmamente holt ihm zielend
Manch schönen Stern sein Kinderball.

Am Haupt den Kranz von Blüthenflocken,
Der Glieder Bau so schön geschwellt,
Weiß er als Jüngling süß zu locken
Die Liebe, wie es ihm gefällt.

Gereift zum Manne tritt an Throne,
In Erz gerüstet, fordernd er,
Da springt entzwei manch eine Krone,
Da flammt manch andre doppelt hehr.

Nun tritt er euch als Greis entgegen
Am Dom im Hohenpriesterkleid,
Vom Himmel läßt er strömen Segen,
Es kniet das Volk, die Saat gedeiht!

Er liebt’s, zu schweifen durch die Lande,
Sich zaubernd vielerlei Gestalt,
Als Prasser bald im Prachtgewande,
Als Bettler nackt und dürftig bald.

Nicht schmeichelt er den Staubessöhnen,
Sie sandten Schergen, ihn zu fahn,
Da hörten sie aus Wolken dröhnen
Den Ruf: Ihr sollt ihn lassen stahn!

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Gedicht: Ein Held von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein Held“ von Anastasius Grün ist eine allegorische Darstellung der Entwicklung eines Helden von der Geburt bis zum Tod, wobei der Held als Metapher für das freie Wort und möglicherweise auch für den Künstler oder Revolutionär steht. Der Dichter zeichnet ein umfassendes Bild des Lebensweges, beginnend mit den ersten Schritten des Kindes und endend mit dem alternden Mann, der Segen spendet und schließlich die Macht des Wortes oder des Geistes manifestiert.

Die ersten Strophen beschreiben die Kindheit und Jugend des Helden, in denen er zunächst durch das „Gängelband“ gezügelt wird, bis er „gediehn zu Mark und Kerne“ ist und von einem „Gottes Funken“ durchdrungen wird. Diese Phase symbolisiert die Entwicklung von Unschuld und Unbeholfenheit zur Reife, geprägt von der Auseinandersetzung mit Hindernissen und der Entdeckung der eigenen Kräfte. Die kindlichen Spiele und die Liebe, die er als Jüngling „süß zu locken“ weiß, deuten auf die Fähigkeit des Helden hin, die Welt auf spielerische Weise zu erobern und Beziehungen zu knüpfen.

Die mittleren Strophen zeigen den Helden in seiner reifen Phase als Mann, der an den Thron tritt und Kronen entzwei springen lässt, was auf Macht und Einfluss hindeutet. Im Alter als Greis und Priester, vom Himmel Segen spendend, erreicht er einen Zustand der Weisheit und des Segens für sein Volk. Die Fähigkeit, sich in verschiedenen Gestalten zu zeigen – als Prasser und Bettler – unterstreicht die Wandlungsfähigkeit und Vielseitigkeit des Helden, der sich den gesellschaftlichen Konventionen widersetzt und das Leben in all seinen Facetten auskostet.

Die letzte Strophe, die Drohung aus den Wolken, verdeutlicht die unaufhaltsame Macht des Helden oder des freien Wortes. Die „Staubessöhne“, also die Mächtigen, versuchen, ihn zu unterdrücken, scheitern jedoch am göttlichen Schutz. Diese Zeilen können als Loblied auf die Unbeugsamkeit des Geistes, der Wahrheit oder der Freiheit interpretiert werden, die sich letztendlich gegen jede Form der Unterdrückung durchsetzt. Das Gedicht feiert somit die Lebensreise eines Helden, der sich durch alle Phasen hindurch der Welt stellt, seine Macht entfaltet und letztlich unsterblich wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.