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Das Weiheschwert

Von

Als durch den Rhein gewallt, geritten
Die Jugend Deutschlands weihetrunken,
War, von Franzosenblei durchschnitten,
Ein Mann in Reben hingesunken.

Nun ihn umweht des Todes Odem,
Reißt aus der Scheid’ er seinen Degen,
Die Spitze bohrend in den Boden,
Zu sprechen drauf Gebet und Segen.

So muß das Schwert als Kreuzbild ragen,
Drob Reben wölben die Kapelle;
Durch die durchbrochne Kuppel schlagen
Vom Himmel Sonnenlichter helle.

Ein schönes Opfer ist gefallen,
Ein Held, umrauscht von Kampfesliedern!
Als süße Opferdüfte wallen
Die Sterbeseufzer eines Biedern:

»Wie bist du schön, mein Volk, entlodert
In Hassesgluth, in Kampfesmuthe!
Was Greisenschwäch’ entäußert, fodert
Die Jugend rück mit ihrem Blute.

Nicht weil’s ein Volk von andrem Namen,
Von andrer Sitt’ und andrer Sprache,
Nein, weil sie uns als Dränger kamen,
Drum sucht sie heim jetzt unsre Rache.

Mein Volk, das an des Louvres Raine
Zerschlägt die Ketten, die es engen,
Es trifft, thut’s Noth, auch näh’re Steine,
Die hart genug zum Kettensprengen.

O daß die Schlack’ aus edlen Erzen
In diesem großen Brand sich trenne!
Einst diese Rachegluth in Herzen
Rein als Begeist’rung fort noch brenne!

Daß aus des Hasses Dorn, der modert
Die Lieb’ einst ihre Rosen triebe!
Denn wo so viel des Hasses lodert,
Muß tiefer glühn noch viel der Liebe!

O daß sich – wie im West erstanden
Ein Held in Ruhm und Haß – erhübe
Gewaltig einst in deutschen Landen
Ein Held der Ehre und der Liebe!

In dessen Herzen Taubenpaare
Der milden Volkesliebe wohnten,
In dessen Haupt die Sonnenaare
Urfürstlicher Gedanken thronten!

Mit meinem Blute, meinem Segen
Möcht’ ich für ihn dieß Kampfschwert feien;
Wie Roland’s oder Artus’ Degen
Soll es ein fester Zauber weihen.

Erhebt er’s, soll die Fessel springen
Wie Glas, in Scherben sein zersplissen,
So jene edlen Schmiede bringen,
Die selbst nicht sie zu brechen wissen.

Verstummen soll’n im Prunkgemache
Die Worte, die zu kriegen wagen:
Der schöne Rheinstrom deutscher Sprache
Darf keine Sklavenschiffe tragen!

Zieht er das Schwert im Sonnenglanze
Dann wirble, dran zurücke prellend,
Der Glast in dichtem Funkentanze,
Der Fürstenräthe Häupter hellend!

Daß Flammenzungen sprühn in Bächen,
Daß es ein andres Pfingstfest scheine,
Und die jetzt tausend Zungen sprechen,
Fortan nur sprechen mögen Eine!

Und schwingt er’s wo in deutschen Landen
Von einem Berg nach den vier Winden,
Sei neu die todte Saat erstanden,
Soll neue Gluth die Rebe zünden!

Und um den Berg rings soll sich schaaren
Das ganze Volk zum heil’gen Bunde!
Dann wird der Herr sich offenbaren
Aus seines Abgesandten Munde.«

Dieß Schwert mocht er als Kreuz umfassen,
Als sich vom Leib die Seele trennte,
Sein Nachlaß ward es uns gelassen
Und seinem Grab zum Monumente.

Vermag des Helden Blut zu feien,
In Füll’ ist dann gefeit der Degen;
Und konnten Sterbehauche weihen,
Dann birgt er kräft’gen Wundersegen.

Längst ist das Schwert versenkt, verloren,
Umrankt ist von der Reben Wucht es!
Doch wird dem Schwert sein Held geboren,
Dann holt es ihm, geht hin und sucht es!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Weiheschwert von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Weiheschwert“ von Anastasius Grün ist eine pathetische und nationalistische Vision, die den Wunsch nach einer geeinten, von ausländischer Besetzung befreiten und durch edle Ideale geprägten Nation zum Ausdruck bringt. Es wird von einem sterbenden deutschen Soldaten gesprochen, der, inmitten eines vom Krieg zerrissenen Weinbergs liegend, sein Schwert weiht und ihm eine magische Bedeutung verleiht.

Der Soldat transformiert sein Schwert in ein Kreuz, ein Symbol der Hoffnung und des Opfers. Er wünscht sich einen zukünftigen Helden, der sein Schwert erheben wird, um die Fesseln der Unterdrückung zu sprengen und eine neue Ära der Freiheit und des Friedens einzuleiten. Die Hoffnung auf eine geeinte Nation, die durch Liebe und Ehre geführt wird, steht im Mittelpunkt des Gedichts. Es ist eine Vision, die durch die leidenschaftliche Sprache und die rhetorischen Fragen des Soldaten zum Ausdruck gebracht wird.

Die zentrale Metapher des Gedichts ist das Schwert, das mit dem Blut und dem Segen des sterbenden Soldaten geweiht wird. Es wird zu einem Instrument der Befreiung und der nationalen Erneuerung. Das Gedicht enthält zahlreiche Bilder des Kampfes und des Leidens, die die Härte der aktuellen Situation widerspiegeln, sowie Visionen einer glorreichen Zukunft. Die Natur wird als Zeuge der Ereignisse dargestellt: Der Rhein, die Reben und die Sonne werden in die Beschreibungen der Szene integriert.

Die Dichtung ist von einem starken Patriotismus durchzogen. Der Soldat spricht von Rache, aber auch von Liebe und Einheit. Der Hass auf die Feinde soll in Zukunft in Liebe für das eigene Volk und die eigenen Ideale übergehen. Die abschließenden Verse deuten an, dass das Schwert, obwohl jetzt verborgen, eines Tages von einem Helden wiedergefunden und eingesetzt wird. Dies unterstreicht die Hoffnung, dass die Ideale des Soldaten, wie sie im Gedicht zum Ausdruck kommen, eines Tages verwirklicht werden.

Das Gedicht ist somit eine patriotische Beschwörung, die den Wunsch nach einer freien, geeinten und durch edle Ideale geprägten Nation beschwört. Durch die Metapher des geweihten Schwerts und die Vision des zukünftigen Helden formuliert es eine tiefe Sehnsucht nach Befreiung von ausländischer Unterdrückung und nach einer Erneuerung des deutschen Geistes. Das Gedicht ist in seinem Pathos ein Zeugnis seiner Zeit und des deutschen Nationalgefühls des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.