Lass ruh′n die Toten
Es steht ein altes Gemäuer
Hervor aus Waldes Nacht,
Wohl standen Klöster und Burgen
Einst dort in herrlicher Pracht.
Es liegen im kühlen Grunde
Behauene Steine gereiht;
Dort schlummern die Frauen, die Starken,
Die Mächt′gen der alten Zeit.
Was kommst du nächtlicher Weile
Durchwühlen das alte Gestein?
Und förderst hervor aus den Gräbern
Nur Staub und Totengebein.
Unmächtger Sohn der Stunde,
Das ist der Zeiten Lauf,
Lass ruh′n, laß ruh′n die Toten,
Du weckst sie mit Klagen nicht auf.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Lass ruh’n die Toten“ von Adelbert von Chamisso ist eine Mahnung zur Akzeptanz der Vergänglichkeit und zur Respektierung des Todes. Das Gedicht beginnt mit einer beschreibenden Strophe, die ein verfallenes Gemäuer in einer nächtlichen Waldlandschaft darstellt, ein Symbol für vergangene Herrlichkeit und den unaufhaltsamen Lauf der Zeit. Die bildhafte Sprache evoziert eine Atmosphäre der Melancholie und des Verfalls, indem sie die Reste einstiger Pracht in den Fokus rückt. Die Erwähnung von „Klöster und Burgen“ verstärkt den Kontrast zwischen der einstigen Macht und der gegenwärtigen Ruine.
Die zweite Strophe verlagert den Fokus auf die Toten, die in „behauenen Steinen gereiht“ ruhen. Hier werden konkrete Personen erwähnt: „Frauen, die Starken, / Die Mächt’gen der alten Zeit.“ Chamisso erzeugt ein Gefühl der Ehrfurcht und des Respekts vor den Verstorbenen, indem er ihre Vergangenheit würdigt. Der Ort des Schlafes, der „kühle Grund“, unterstreicht die Stille und das ewige Verweilen. Die Zeilen implizieren, dass die Toten nun dem Kreislauf der Natur angehören, frei von den Sorgen und dem Treiben des Lebens.
Die dritte Strophe richtet sich direkt an einen imaginären Fragenden, der die Gräber der Toten stört. Die Frage „Was kommst du nächtlicher Weile / Durchwühlen das alte Gestein?“ deutet auf eine Verletzung des Friedens der Toten hin. Der Ausdruck „Nur Staub und Totengebein“ unterstreicht die sinnlose Zerstörung und die Endgültigkeit des Todes. Chamisso vermittelt hier die Vergeblichkeit des Versuchs, die Vergangenheit wiederherzustellen oder die Toten zurückzuholen.
Die letzte Strophe enthält die eigentliche Moral des Gedichts. Der Sprecher, wahrscheinlich der Geist der Ruine oder ein allegorischer Hüter der Toten, erinnert den „Unmächt’gen Sohn der Stunde“ an den unaufhaltsamen „Zeiten Lauf“. Die zentrale Botschaft lautet: „Lass ruh’n, laß ruh’n die Toten, / Du weckst sie mit Klagen nicht auf.“ Diese Zeilen fordern den Leser auf, die Vergänglichkeit zu akzeptieren und die Toten in Frieden ruhen zu lassen. Das Gedicht ist somit eine Meditation über die Sterblichkeit und die Notwendigkeit, sich mit dem Verlust abzufinden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.