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Deutscher Brauch

Von

Zur Gruft sank Kaiser Friedrich. Gott geb’ ihm sanfte Ruh!
Max faßt sein gülden Zepter, – ei, Sonnenaar, Glück zu!
Zu Worms nun hielt er Reichstag. Auf, Fürstenschaar, herbei,
Zu rathen und zu fördern, daß Recht und Licht gedeih!

Einst in dem dumpfen Rathsaal sprang Max empor in Hast,
Der Staub der Pergamente nahm ihm den Odem fast,
Die spitzen, klugen Reden, die machten toll ihn schier,
Da rief er seinen Narren: »Freund Kunze, komm’ mit mir!«

Den Treuen liebt er vor Allen, wohl einem Gärtner gleich,
Der jeden Baum mit Liebe pflegt in dem Gartenreich,
Doch einen sich erkoren, in dessen Schattenhut
Nach schwüler Tagesmüh’ er am liebsten Abends ruht.

Es wallten nun die Beiden die Straßen ein und aus,
Dort auf dem großen Marktplatz sahn sie ein stattlich Haus,
Da rief der Kunz: »Mein König, schließt eure Augen schnell!
Denn, traun, schon las manch einer sich blind an dieser Stell’.

Französisch ist’s; ihr wißt ja, wie’s Frankreichs Söhne treiben,
Die anders schreiben als sprechen und anders lesen als schreiben
Und anders sprechen als denken und anders setzen als singen,
Die groß in allem Kleinen und klein in großen Dingen.«

Ein Rittersmann aus Frankreich wohnt in dem stolzen Haus,
Sein Wappenschild, hell glänzend, hängt hoch zur Pfort’ heraus,
Mit Schnörkelzügen zierlich in blankem Goldesschein
Schrieb rings er diese Worte ums bunte Wappen ein:

»Erst Gott zum Gruß, wer’s lieset! Auf, Deutscher, kühn und werth,
Hier harrt ein Schild des deinen, wenn kampfesfroh dein Schwert,
Und magst du mich bezwingen nach Ritterbrauch und Recht,
Will ich mich dir verdingen als letzter Rüdenknecht.«

Stumm schritt der König fürder; doch an des Ritters Schild
Hängt bald ein Edelknappe der Habsburg Wappenbild;
Und mit dem Frühroth harrend auf sand’gem Kampfesrund,
Der König gegenüber dem fränk’schen Ritter stund.

Und säng’ ich, wie er geschwungen das Schwert, sein breites, treues,
Wie flink gelenkt den Kampfspeer, so säng’ ich euch nichts Neues;
Und sagt’ ich, wie nimmermüde er Hieb und Stoß gesellt,
Ihr wißt ja, wie’s der Deutsche genüber dem Franzmann hält.

Und höher stieg die Sonne; der Franzmann lag im Sand,
Das Siegesschwert hell leuchtend ragt hoch in Maxens Hand,
»So schlägt ein deutscher Ritter!« er sprach’s und stand verklärt,
Wie Sankt Michael der Sieger mit seinem Flammenschwert.

»Ihr habt euch mir ergeben als letzter Rüdenknecht,
Wohlan, ihr sollt erfahren nun meines Amtes Recht!«
Sein Schwert nun schwang er dreimal: »Steht auf, mein Ritter werth!
So schlägt ein deutscher König, seid brav wie euer Schwert!«

Sing’s allem Land, ihr Sänger, des Fürsten That und Wort,
Neigt euer Schwert, ihr Ritter, vor eueres Kreises Hort,
Bekränzt des Siegers Schläfe, ihr schönsten deutschen Fraun,
Jauchzt auf, ihr deutschen Herzen, in allen deutschen Gaun!

Viel saft’ge Trauben schwellen ringsher um Worms am Rhein,
»Milch unsrer lieben Frauen,« so heißt dort jener Wein;
Saugt jene Milch, ihr Greise, sie macht euch wieder zum Kind,
O Herr, gib unsrem Lande viel Milch so süß und lind!

Aus Goldgefäßen quoll sie an Maxens Abendtisch,
Gleichwie aus goldnen Eutern, so labend und so frisch;
Wie zecht’ an Maxens Seite der fränk’sche Rittersmann!
Wie wärmend da der Glühborn durch Kunzens Kehle rann!

Der Franzmann hob den Becher, begeistert flammt sein Blut:
»Heil Max dir, edler Deutscher, so tapfer und so gut!«
»»Hoho!«« rief Kunz halb grimmig, »»jetzt bindet mit mir an,
Wert auf dieß Wohl herzinn’ger und besser trinken kann!««

Und säng’ ich, wie er das Kelchglas geschwungen, sein tiefes, treues,
Wie flink die Krüg’ entsiegelt, so säng ich euch nichts Neues;
Und sagt’ ich, wie nimmermüde er Glas zu Glas gesellt,
Ihr wißt, ja, wie’s der Deutsche genüber dem Becher hält.

Wie Schilder klangen die Humpen zusammen hell mit Macht,
Die Blicke blitzten genüber wie Lanzen in der Schlacht!
Wer fiel, wer stand im Wettkampf? Wohl kam es nie ans Licht;
Frug man am Morgen die Beiden, sie wußten’s selber nicht.

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Gedicht: Deutscher Brauch von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Deutscher Brauch“ von Anastasius Grün erzählt eine Geschichte, die von der Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich geprägt ist und die Ideale von Tapferkeit, Ehre und Gastfreundschaft feiert.

Das Gedicht beginnt mit der Schilderung des Regierungsantritts von Kaiser Max und seinem Besuch eines Reichstags in Worms. Die eigentliche Handlung beginnt, als Max und sein Narr Kunz auf einem Marktplatz ein französisches Haus mit einem herausfordernden Wappenschild sehen. Der französische Ritter fordert im Stile eines Rittertums einen deutschen Ritter zu einem Zweikampf heraus. Max akzeptiert die Herausforderung und besiegt den französischen Ritter im Kampf, zeigt aber gleichzeitig Großmut, indem er ihn nicht demütigt, sondern ihn zu einem Ehrenmann erhebt.

Die zweite Hälfte des Gedichts konzentriert sich auf das anschließende Festmahl, bei dem der deutsche König und der französische Ritter in Freundschaft vereint sind und gemeinsam trinken. Das Gedicht endet mit einem Lobgesang auf die deutsche Ehre, Tapferkeit und Gastfreundschaft, wobei die Bedeutung von Gemeinschaft, Freundschaft und der Überwindung nationaler Gegensätze durch menschliche Werte hervorgehoben wird. Die Metaphern des Weins und des Trinkens unterstreichen die Freude und das Gemeinschaftsgefühl.

Grüns Gedicht bedient sich einer einfachen, klaren Sprache und verwendet Elemente des Volksliedstils, um eine leicht zugängliche Erzählung zu schaffen. Die Verwendung von Reimschemata und die rhythmische Struktur tragen dazu bei, die Geschichte lebendig werden zu lassen und die Botschaft von Ehre und Freundschaft zu verstärken. Das Gedicht ist ein Ausdruck patriotischer Gefühle, die jedoch durch die Betonung von Gastfreundschaft und Versöhnung gemildert werden.

Das Gedicht ist somit mehr als nur eine Erzählung von Kampf und Sieg; es ist eine Feier der Werte, die das deutsche Volk ausmachen sollten – Tapferkeit, Ehre, Großmut und die Fähigkeit, über nationale Grenzen hinweg Freundschaft zu schließen. Die Integration des Trinkens in das Finale symbolisiert die Auflösung von Feindschaft und die gemeinsame Freude am Leben, die sowohl für Deutsche als auch für Franzosen gilt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.