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Des Klephten Gaben

Von

Heimwärts kam ein Klephte aus dem Kampfe,
An die Brust sinkt ihm die treue Gattin,
Und zwei Knaben frisch und freudig rufen:
»Gott grüß’, Vater! dachtest du auch unser?«
Doch das dritt’ und kleinste in der Wiege
Streckt die zarten Händchen ihm entgegen.

Und er spricht zum Knäblein in der Wiege:
»Armer Schalk, mich dauert deine Blöße,
Brachte Stoff, zu decken deine Nacktheit,
Mütterchen soll Windeln draus dir schneiden.«
Zog aus dem Tornister einen Turban.

Dann zum zweiten sprach er lächelnd also:
»Gern, ich weiß es, spielst du mit dem Balle,
Habe dir gebracht drei runde Bälle,
Bring’ viel solcher Bäll’ einst deinen Söhnen
Und hoch in die Lüfte laß sie fliegen!«
Und er zog heraus drei Türkenschädel.

Küßt dann auf die Stirn den dritten, ält’sten,
Schnallt ein blankes Schwert ihm um die Lenden,
Hängt ihm eine Büchse auf die Schultern,
Also sprechend: »Auf, wir ziehn zusammen!
Freut, ihr Andern, euch auf unsre Rückkehr!
Doppelt wiegt die Beute, die wir bringen,
Windeln für die Kinder von zehn Dörfern,
Bälle für die ganze Nachbarschaft.«

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Gedicht: Des Klephten Gaben von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Des Klephten Gaben“ von Anastasius Grün beschreibt in drei Strophen die Heimkehr eines Klephten (griechischer Freiheitskämpfer) nach einem Kampf und die Geschenke, die er seinen Söhnen bringt. Es ist ein Gedicht voller Kontraste, das die Härte des Krieges mit der Zärtlichkeit der Familie verbindet und eine ambivalente Botschaft über Ehre, Gewalt und das Leben im Krieg vermittelt.

In der ersten Strophe wird die idyllische Szene der Heimkehr geschildert. Die treue Gattin empfängt den Krieger, und die älteren Söhne begrüßen ihn voller Freude. Die Beschreibung des kleinsten Kindes in der Wiege, das dem Vater die Händchen entgegenstreckt, erzeugt ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Dieser Kontrast zum folgenden Inhalt des Gedichts ist besonders auffällig. Die Unschuld der Familie steht im Gegensatz zu den Gaben, die der Vater mitbringt, und bereitet den Leser auf die erschreckende Wahrheit des Krieges vor.

Die zweite Strophe enthüllt die eigentlichen „Gaben“. Für das kleinste Kind, das schutzbedürftige Baby, bringt der Vater einen Turban, der aus der Beute stammt. Die „Windeln“, die die Mutter daraus schneiden soll, symbolisieren die gewaltsame Aneignung fremden Eigentums. Für den zweiten Sohn, der Spielzeug erwartet, bringt der Vater „drei runde Bälle“ – Türkenschädel. Diese zynische Umdeutung des Spiels und die Perversion der kindlichen Unschuld sind besonders verstörend.

In der dritten Strophe wendet sich der Vater dem ältesten Sohn zu. Er küsst ihn, rüstet ihn mit einem Schwert und einer Büchse aus und fordert ihn auf, mit ihm in den Krieg zu ziehen. Der Vater lädt seine Familie ein, sich auf ihre Rückkehr zu freuen, und verspricht „doppelt wiegt die Beute“. Diese Zeilen verdeutlichen die Verrohung des Vaters, der die Gewalt als Normalität akzeptiert hat und sie an seine Söhne weitergibt. Die „Windeln für die Kinder von zehn Dörfern“ und die „Bälle für die ganze Nachbarschaft“ sind eine makabre Verhöhnung der Kriegsgewalt und des Todes. Das Gedicht wird zu einer bitteren Kritik an der Kultur des Krieges und an der Vererbung von Gewalt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.