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Der Liebesgarten

Von

Wenn Nachts der freundliche Schlummer
Die silbernen Fäden webt,
Da trägt es mich flugs in ein Gärtchen,
Wo Liebe nur schafft und webt.

Drin grünet manch seliges Plätzchen,
Drin blühet manch lieblicher Strauß;
Da pfleg’ ich mein friedliches Gärtchen
Und schmück’ es gar sorglich aus:

Mit Freuden und Leiden der Liebe,
Bis der purpurne Morgen kam,
Doch nicht mit all’ meinen Freuden
Und nicht mit all’ meinem Gram!

Denn würde zur farbigen Blume
Jedweder selige Traum,
Für all’ die Blüthen und Blumen
Wär’ in dem Gärtchen nicht Raum.

Und fiele gar jegliche Thräne
Als Thau auf die Fluren schwer,
Bald sähe man statt des Gärtchens
Ein blitzendes Perlenmeer.

Und lächelten Blicke der Liebe
Als Sonnen von Himmelshöhn,
Bald glänzten aufs Gärtchen mehr Sonnen,
Als Halme auf Wiesen stehn.

Und flatterte jegliches Küßchen
Als farbiger Schmetterling,
Bald blühten zu wenig der Blumen
Den Faltern im Gartenring.

Doch trübte jeglicher Zwiespalt
Als Wolke der Sonnen Schein,
Traun, oben am Himmel blieb’ es
Wohl ewig heiter und rein.

Und wüchse jegliche Untreu
Des Liebchens als Schierlingskraut,
Ich hätte die Schierlingsstaude
Im Gärtchen noch nie erschaut.

So träum’ ich mir Nachts mein Gärtchen
Aus der Liebe Freuden und Gram;
Wie anders doch ist es zu schauen,
Wenn wieder der Morgen kam!

Die Falter sind all’ entflogen,
Die Sonnen sind alle verglüht,
Die seligen Plätzchen verschwunden,
Die Blumen versengt und verblüht.

Der einzige Thau sind die Thränen;
Der Schierling das einzige Grün,
Und über erstorbenen Keimen
Ziehn düstere Wolken dahin.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Liebesgarten von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Liebesgarten“ von Anastasius Grün entwirft eine romantische Utopie, die jedoch der harten Realität der Liebe weichen muss. In einem verträumten Nachtgeschehen stellt sich der Dichter einen Garten vor, der aus den Freuden und dem Leid der Liebe geformt ist. Die Verwendung von Metaphern wie „silberne Fäden“ des Schlummers, „selige Plätzchen“ und „lieblicher Strauß“ deutet auf eine Idylle hin, in der die Liebe in all ihren Facetten – Freuden, Tränen, Blicken, Küssen – ihren Platz findet. Der Dichter beschreibt sorgfältig, wie er diesen Garten pflegt, jedoch mit einer Einschränkung: Nicht alle Aspekte der Liebe können in diesem Garten Platz finden.

Im Verlauf des Gedichts werden die Grenzen dieser idealen Welt deutlich. Träume, Tränen, Blicke und Küsse werden personifiziert und in poetischen Bildern dargestellt. Der Dichter stellt sich vor, wie sein Garten aussehen würde, wenn all diese Elemente in ihrer reinsten Form existieren würden. Doch die Schönheit und Fülle, die sich aus den positiven Erfahrungen der Liebe ergeben, werden durch das Leid und die Negativität konterkariert. Der Dichter erkennt, dass der Garten in seiner idealisierten Form zusammenbrechen würde, wenn er all die Freuden und Leiden der Liebe gleichermaßen aufnehmen würde.

Der Bruch dieser Utopie geschieht mit dem Erwachen am Morgen. Die Traumwelt zerbricht und die bittere Realität tritt ein. Die „Falter“ sind „entflogen“, die „Sonnen verglüht“, die „seligen Plätzchen verschwunden“ und die „Blumen versengt und verblüht“. Die einzigen verbleibenden Elemente sind „Thränen“ und „Schierling“ – Symbole für Trauer und Verrat. Dieser Kontrast verdeutlicht die Vergänglichkeit der Liebes-Utopie und die unausweichliche Präsenz von Schmerz und Verlust in der realen Erfahrung der Liebe.

Die letzte Strophe des Gedichts unterstreicht die Tragik dieser Erkenntnis. Der Dichter erwacht aus seinem Traum und sieht die Zerstörung seines geliebten Gartens. Was übrig bleibt, ist ein düsteres Bild des Verfalls und der Leere. Das Gedicht thematisiert somit nicht nur die Schönheit der Liebe, sondern auch ihre Kehrseite: die Vergänglichkeit, den Schmerz und die Illusion der Unendlichkeit, die in Träumen und Tagträumen erzeugt wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.