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Zeichen der Zeit

Von

»Des Himmels Gestalt wißt ihr zu beurtheilen:
Aber die Zeichen der Zeit prüfet ihr nicht.«

Hebt eure Hände, ihr Erdebewohner,
Hebt sie zum hohen gewaltigen Throner
Eure gefalteten Hände empor!
Weinet dem Schwinger des Donners
Eure Empfindungen vor.

Zornig erblickt Er die sündige Erde.
Engel des Todes mit ernster Gebehrde
Hat Er vom Throne heruntergesandt,
Strafende Schwerter und Ruthen
Trägt ihre mächtige Hand.

Blutgeschrey brüllet am Osten und Norden!
Zahllose Streiter, gedungen zum Morden,
Heben die nervigen Arme voll Wuth.
Blut färbt die Scholle der Erde,
Röthet die Welle der Fluth.

Grausamkeit wandelt mit Blicken des Tigers
Schnaubend nach Leichen, zur Seite des Kriegers;
Tröpfelnde Köpfe verbleichen am Speer.
Wieherer hauen wie Flammen
Unter dem tobenden Heer.

, der wilden Verzweiflung Geselle,
, der schwärzeste Dämon der Hölle,
Schwingt dort die Fackel in Schwefel getaucht.
Ha, wie sein Mordstahl vom Blute
Großer Gemordeten raucht!

Grimmig empört sich das Gallische Eden,
Bürger ergreifen die Waffen und tödten. –
Hört, wie des Aufruhrs Trommete erschallt!
Unter den Fäusten der Wüther
Beugt sich die Königsgewalt.

Freiheit! so donnert′s von Gauen zu Gauen.
Und die Gewaltthat mit eisernen Klauen
Malmet gethürmte Palläste zu Sand.
Mächtige FrevIer verröcheln
Unter der Rächenden Hand.

Freiheit! herunter vom Himmel gekommen,
Hohe Gespielin der Weisen und Frommen!
Edleren bringst du nur Segen und Ruh′;
Aber ein Schwert in den Händen
Rasender Völker bist du.

Fort aus dem Drange des wilden Getümmels!
Seht ihr′s? da bersten die Schläuche des Himmels;
Ströme verwüsten die Felder in Zorn.
Dorten am Gipfel der Weide
Faulet ernährendes Korn.

Gott, bist du müde die Völker zu dulden?
Sind sie zu Bergen gethürmet die Schulden?
Rüstest die strafenden Donner du schon?
Tönet des Weltgerichts Glocke
Bald mit gewaltigem Ton?

Rufe die Engel des Todes zurücke!
Lächle uns wieder mit segnendem Blicke;
Vater, sieh weinende Kinder vor dir.
Sprich zu den tobenden Völkern:
„Völker seyd stille vor mir!“

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Gedicht: Zeichen der Zeit von Christian Friedrich Daniel Schubart

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zeichen der Zeit“ von Christian Friedrich Daniel Schubart ist eine düstere Reflexion über die Umbrüche und das Chaos, die durch die Französische Revolution ausgelöst wurden. Es ist ein Appell an die Leser, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu deuten, während es gleichzeitig eine beunruhigende Vision der Gewalt, des Krieges und des gesellschaftlichen Zusammenbruchs zeichnet. Das Gedicht beginnt mit einer Mahnung, die Fähigkeiten zur Interpretation des Himmels mit der Unfähigkeit zu verbinden, die Zeichen der Zeit zu verstehen, und stellt somit die menschliche Blindheit gegenüber den politischen und sozialen Veränderungen in den Mittelpunkt.

Die folgenden Strophen entfalten eine erschreckende Darstellung der gewalttätigen Realität der Zeit. Schubart beschreibt eine Welt, in der Krieg, Mord und Zerstörung allgegenwärtig sind. Er verwendet eindringliche Bilder, wie „Blutgeschrey“, „Schwerter und Ruthen“ und „tröpfelnde Köpfe“, um die Brutalität und das Leid zu veranschaulichen, die durch die Konflikte verursacht werden. Die personifizierte „Grausamkeit“ und der „Dämon der Hölle“ verstärken das Gefühl des Chaos und der moralischen Verdorbenheit, die die Gesellschaft befallen hat. Diese Bilder dienen nicht nur dazu, das Ausmaß der Gewalt zu zeigen, sondern auch, die Leser emotional zu bewegen und sie dazu anzuregen, über die Ursachen und Folgen dieser Ereignisse nachzudenken.

Ein zentrales Thema des Gedichts ist die ambivalente Natur der Freiheit. Einerseits wird Freiheit als eine edle und segensreiche Kraft dargestellt, die von den Weisen und Frommen begrüßt wird. Andererseits wird sie als ein „Schwert in den Händen rasender Völker“ beschrieben, was auf die Gefahren und Zerstörung hinweist, die mit unkontrollierter Revolution und Gewalt einhergehen können. Diese Ambivalenz spiegelt Schubarts eigene widersprüchlichen Gefühle gegenüber der Revolution wider und unterstreicht die Komplexität der politischen und sozialen Entwicklungen seiner Zeit.

Das Gedicht gipfelt in einem Flehen an Gott, die tobenden Völker zur Ruhe zu bringen und die Welt zu erlösen. Die letzten Strophen drücken die Verzweiflung und das Gefühl der Überforderung aus, die durch die Ereignisse der Zeit ausgelöst wurden. Die Bilder des „berstenden Himmels“ und des „fauleten Korn“ deuten auf eine kosmische Unordnung hin, die die Notwendigkeit einer göttlichen Intervention zur Wiederherstellung von Ordnung und Frieden verdeutlicht. Schubart wendet sich an Gott mit der Bitte, die Welt zu segnen und die tobenden Völker zur Ruhe zu bringen. Dies ist nicht nur ein Gebet, sondern auch ein Ausdruck des Wunsches nach Erlösung und einem besseren Morgen nach den Schrecken der Revolution.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.