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Winterlied

Von

Mir träumt′, ich ruhte wieder
Vor meines Vaters Haus
Und schaute fröhlich nieder
Ins alte Tal hinaus,
Die Luft mit lindem Spielen
Ging durch das Frühlingslaub,
Und Blütenflocken fielen
Mir über Brust und Haupt.

Als ich erwacht, da schimmert
Der Mond vom Waldesrand,
Im falben Scheine flimmert
Um mich ein fremdes Land,
Und wie ich ringsher sehe:
Die Flocken waren Eis,
Die Gegend war vom Schnee,
Mein Haar vom Alter weiß.

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Gedicht: Winterlied von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Winterlied“ von Joseph von Eichendorff beschreibt in zwei Strophen eine traumhafte Erinnerung und das anschließende, ernüchternde Erwachen in der Realität. Die erste Strophe entwirft ein idyllisches Bild der Vergangenheit, voller Wärme, Lebendigkeit und Jugend. Der Träumende befindet sich vor dem Haus seines Vaters, blickt in ein grünes Tal, und erlebt die erfrischende Frühlingsluft und den zarten Fall von Blütenblättern. Diese Szenerie ist von Freude, Leichtigkeit und dem Gefühl der Geborgenheit geprägt.

Die zweite Strophe kontrastiert dieses lebhafte Bild mit dem kalten Erwachen in der Gegenwart. Der Mond scheint, aber nicht in hellem Licht, sondern in einem „falben Scheine“. Das „fremde Land“ deutet auf eine Distanzierung von der vertrauten Umgebung und der eigenen Identität hin. Statt Blüten sind „Flocken Eis“ gefallen, und die einst jugendliche Unbeschwertheit ist dem „Alter“ gewichen, das sich in den weißen Haaren des Erzählers manifestiert. Der Übergang von der warmen Erinnerung zur kalten Realität wird durch eine klare, prägnante Sprache verdeutlicht.

Eichendorff nutzt die Jahreszeiten als Metaphern für die verschiedenen Lebensphasen. Der Frühling steht für Jugend, Glück und Unbeschwertheit, während der Winter für Alter, Verlust und die Vergänglichkeit des Lebens steht. Das Gedicht drückt die Sehnsucht nach der verlorenen Jugend und der Geborgenheit der Vergangenheit aus. Der Kontrast zwischen Traum und Wirklichkeit ist schmerzhaft, und die Erkenntnis des Älterwerdens wird durch die winterliche Landschaft noch verstärkt.

Die Struktur des Gedichts, mit der klaren Trennung zwischen Traum und Realität, unterstreicht die Botschaft der Vergänglichkeit. Die einfache Sprache und die bildhafte Darstellung der Natur verstärken die Wirkung des Gedichts und machen es für den Leser leicht nachvollziehbar. „Winterlied“ ist ein melancholisches Gedicht, das die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert und die Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies der Jugend widerspiegelt. Es ist ein zutiefst menschliches Gedicht, das die Leser dazu anregt, über die eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nachzudenken.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.