Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, ,

Herzeliebez frowelîn

Von

Herzeliebez frowelîn,
got gebe dir hiute und iemer guot!
kund ich baz gedenken dîn,
des hete ich williclîchen muot.
waz mac ich dir sagen mê,
wan daz dir nieman holder ist? dâ von ist mir vil wê.

Sie verwîzent mir daz ich
ze nidere wende mînen sanc.
Daz si niht versinnent sich
waz liebe sî, des haben undanc!
sie getraf diu liebe nie,
die nâch dem guote und nâch der schœne minnent; wê wie minnent die?

Bî der schœne ist dicke haz:
zer schœne niemen sî ze gâch.
liebe tuot dem herzen baz:
der liebe gêt diu schœne nâch.
liebe machet schœne wîp:
des mac diu schœne niht getuon, sin machet niemer lieben lîp.

Ich vertrage als ich vertruoc
und als ich iemer wil vertragen.
dû bist schœne und hâst genuoc:
waz mugen si mir dâ von gesagen?
swaz si sagen, ich bin dir holt,
und nim dîn glesîn vingerlîn für einer küneginne golt.

Hâst dû triuwe und stætekeit,
sô bin ich des ân angest gar
daz mir iemer herzeleit
mit dînem willen widervar.
hâst aber dû der zweier niht,
sô müezest dû mîn niemer werden. owê danne, ob daz geschiht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Herzeliebez frowelîn von Walther von der Vogelweide

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Herzeliebez frowelîn“ von Walther von der Vogelweide ist ein mittelalterliches Minnegedicht, in dem der Dichter seine unglückliche Liebe und seine verzweifelte Hingabe an eine Frau zum Ausdruck bringt. Zu Beginn des Gedichts spricht der Dichter die Dame direkt an und wünscht ihr „hiute und iemer guot“ (heute und immer Gutes). Er gibt zu, dass er viel über sie nachdenkt, aber dass er nicht weiß, wie er ihr seine Gefühle richtig mitteilen soll. Die Tatsache, dass „nieman holder“ (niemand schöner) als sie ist, verursacht ihm großes Leid, da er weiß, dass seine Liebe unerwidert bleibt. Diese Zeilen verdeutlichen die unerfüllte Sehnsucht des Dichters und die damit verbundene Verzweiflung.

In der zweiten Strophe spricht der Dichter von der Tatsache, dass die Frau seine Liebe nicht erwidert. Sie „verwîzent mir daz ich ze nidere wende mînen sanc“ – sie hat ihm nicht beigebracht, was wahre Liebe ist, und er empfindet ihre Antwort als undankbar. Die Dame hat die „Liebe nie getroffen“, was bedeutet, dass sie nie wirklich verstanden hat, was wahre Zuneigung und Hingabe bedeuten. Hier beschreibt der Dichter die Diskrepanz zwischen seiner tiefen, echten Liebe und der Oberflächlichkeit der Dame, die die wahre Bedeutung der Liebe nicht zu erkennen scheint.

Die dritte Strophe behandelt den Gegensatz zwischen Schönheit und Liebe. Der Dichter stellt fest, dass die „schœne“ Frau oft von Hass begleitet wird, da Schönheit nicht automatisch Liebe bedeutet. In diesem Zusammenhang wird betont, dass wahre Liebe nicht auf äußerer Schönheit basiert, sondern auf einer tieferen, emotionalen Verbindung. Die Schönheit allein macht die Frau nicht zu einer wahren Geliebten, und der Dichter hebt hervor, dass wahre Liebe das Herz eines Menschen ergreift und nicht auf oberflächliche Merkmale achtet.

In den letzten Strophen des Gedichts wird die Tiefe der Gefühle des Dichters noch klarer. Er erklärt, dass er bereit ist, ihr seine Liebe zu schenken, auch wenn sie ihm keine Zuversicht gibt. Er ist treu und wird ihr immer vertrauen, auch wenn seine Liebe nicht erwidert wird. Seine Hingabe ist so stark, dass er ihr Wohl und ihre Treue über alles stellt. In der letzten Zeile des Gedichts spricht er jedoch eine Bedingung aus: Wenn sie ihm nicht mit der gleichen Treue und dem gleichen Vertrauen begegnet, wird er niemals ihre Liebe gewinnen können. Die Bedingung der „Treue und Stetigkeit“ zeigt die Zerbrechlichkeit seiner Gefühle, aber auch seine Bereitschaft, um ihre Liebe zu kämpfen – so wie es in der mittelalterlichen Minnelyrik oft der Fall ist.

Insgesamt ist „Herzeliebez frowelîn“ ein klassisches Minnegedicht, das von unerwiderter Liebe, Sehnsucht und dem Wunsch nach gegenseitiger Zuneigung handelt. Der Dichter stellt den Konflikt zwischen äußerer Schönheit und innerer Liebe dar und betont die Bedeutung von Treue und wahrem emotionalen Engagement in einer Beziehung. Das Gedicht ist eine Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung und spiegelt die idealisierte Vorstellung von Liebe in der mittelalterlichen Literatur wider.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.