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Vater unser

Von

Jehovah! den mit Zittern
Das Heer der Geister ehrt,
Und den aus Nachtgewittern
Der Sünder donnren hört,
Den Erd und Himmel kennen –
Dich darf ich Vater nennen,
Dein Sohn hat michs gelehrt.

Mein Vater! Himmelswonne
Liegt in dem Namen! Dich,
Den Schöpfer dieser Sonne,
Dich, Welterhalter, Dich!
Darf ich als Vater loben,
Wie deine Geister droben;
Als Kind erhörst du mich!

Ihr Kinder, so versammelt
Euch um des Vaters Thron;
Gebete, die ihr stammelt,
Sind ihm ein süßer Ton.
Ja, Vater! hör uns singen;
Wann wir mit Ohnmacht ringen,
So sieh auf deinen Sohn.

Laß deines Namens Ehre
Uns Menschen heilig seyn;
Ihn müsse falsche Lehre
Und Laster nie entweihn.
O, unser Vater! flöße
Erkenntniß deiner Größe
In unsre Herzen ein!

O laß es kommen, kommen
Dein Reich voll Recht und Licht,
Zur Rettung deiner Frommen,
Den Frevlern zum Gericht,
Vertilge bald die Rotte,
Die mit verfluchtem Spotte
Von deinem Sohne spricht.

Herr! es gescheh′ dein Wille,
Wie dort, so in der Zeit;
Mit Demuth, Herzensstille,
Und Engelschnelligkeit;
Erklär′ es unsern Seelen,
Wann wir aus Schwachheit fehlen,
Was uns dein Wort gebeut.

Still unsre Erdensorgen;
Gieb Hülle, Trank und Brod,
Nur heute; denn der Morgen
Findt uns vielleicht schon todt.
Wann Noth und Mangel drücken,
Lehr auf zu dir uns blicken,
Dem Stiller jeder Noth.

Vergieb uns unsre Sünden,
Du bist ja voll Geduld;
Kein Engel kann ergründen
Die Tiefe deiner Huld.
Schenkst du uns Schuld und Leben,
So laß uns auch vergeben
Den Brüdern ihre Schuld.

Schwingst du die Vaterruthe,
Versucht uns Höll′ und Welt,
So rüst uns mit dem Muthe,
Der uns im Kampf erhält;
Sey du des Schwachen Stütze,
Wann in des Kampfes Hitze
Ihm Muth und Kraft entfällt.

Erlös uns von dem Bösen
Durch sanften Christentod;
Wer kann uns sonst erlößen,
Als du, aus aller Noth?
Aus Armuth, Krankheit, Banden,
Verführung, Schmach und Schanden,
Und was uns Armen droht.

Dein ist das Reich, die Ehre,
Macht, Kraft und Herrlichkeit!
Dir jauchzen Engelheere,
Dir tönt das Lied der Zeit!
Preis deinem großen Namen
Jehovah! Amen! Amen
Jetzt, und in Ewigkeit!

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Gedicht: Vater unser von Christian Friedrich Daniel Schubart

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vater unser“ von Christian Friedrich Daniel Schubart ist eine ausführliche Interpretation des christlichen Gebets, die tiefgreifende theologische und persönliche Elemente vereint. Es ist keine bloße Wiedergabe des Gebets, sondern eine Erweiterung und Vertiefung, die das Verhältnis zwischen Gott und dem Gläubigen in den Mittelpunkt stellt.

Das Gedicht beginnt mit einer Ehrfurchtsbezeugung und der Anrufung Gottes als „Jehovah“, dem Schöpfer, der von Engeln geehrt und von Sündern gefürchtet wird. Schubart etabliert eine Beziehung der Nähe und des Vertrauens, indem er Gott als „Vater“ anspricht und die Lehre Jesu als Grundlage dafür betont. Dieser familiäre Bezug, der in den weiteren Strophen ausgebaut wird, ist zentral für das Verständnis der Frömmigkeit des Dichters.

Die folgenden Strophen vertiefen die verschiedenen Aspekte des Vaterunsers. Es wird um die Heiligung des Namens Gottes, das Kommen seines Reiches, die Erfüllung seines Willens, die Vergebung der Sünden, die Bewahrung vor Versuchung und die Erlösung vom Bösen gebeten. Schubart fügt dabei persönliche Bitten und Reflexionen hinzu. Die Bitte um „Hülle, Trank und Brot“ für den gegenwärtigen Tag zeugt von einer demütigen Haltung und dem Bewusstsein der menschlichen Vergänglichkeit. Die Bitte um Vergebung und die Fähigkeit, selbst zu vergeben, betont die Bedeutung von Barmherzigkeit und Nächstenliebe.

In den letzten Strophen wird die Thematik erweitert. Die Bitte um Stärke in Zeiten der Versuchung und des Kampfes, sowie die Bitte um Erlösung aus Not, Armut und dem Bösen, unterstreichen die allumfassende Natur der Gebete. Das Gedicht endet mit einem Lobpreis Gottes, der seinen Namen, sein Reich, seine Macht und Herrlichkeit hervorhebt, und mit einem doppelten „Amen“, das die Gebete bekräftigt und dem Ganzen eine feierliche und erhabene Note verleiht. Es ist ein Aufruf zum Glauben, zur Hoffnung und zur Liebe.

Insgesamt ist Schubarts „Vater unser“ eine Erweiterung des Gebets, die die persönliche Beziehung zu Gott und die Bedeutung von Glauben, Hoffnung und Liebe in den Mittelpunkt stellt. Es ist ein Zeugnis tiefgründiger Frömmigkeit und ein Appell an die Gläubigen, sich mit Gott zu verbinden und seine Gnade zu erfahren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.