Valet
Ade nun, liebe Lieder,
Ade, du schöner Sang!
Nun sing ich wohl nicht wieder
Vielleicht mein Leben lang.
Einst blüht′ von Gottes Odem
Die Welt so wunderreich,
Da in den grünen Boden
Senkt ich als Reiser euch.
Jetzt eure Wipfel schwanken
So kühle über mir,
Ich stehe in Gedanken
Gleichwie im Walde hier.
Da muß ich oft noch lauschen
In meiner Einsamkeit,
Und denk bei eurem Rauschen
Der schönen Jugendzeit.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Valet“ von Joseph von Eichendorff ist eine melancholische Abschiedsode an die Poesie und die Jugend. Der Titel, lateinisch für „Leb wohl“, setzt sofort den Ton für eine Reflexion über das Vergehen von Zeit und die damit einhergehende Veränderung. Der Sprecher verabschiedet sich von seinen Liedern und seinem Gesang, was auf eine innere Distanzierung von der schöpferischen Kraft und der jugendlichen Begeisterung hindeutet, die einst sein Leben prägte. Die ersten beiden Strophen etablieren diese Abschiedsstimmung und die Trauer über den Verlust der Unbeschwertheit.
Die zweite Strophe evoziert eine Metapher von Wachstum und Entfaltung. Der Sprecher vergleicht sich mit einem Reiser (junger Trieb), der einst in den fruchtbaren Boden gepflanzt wurde, um zu gedeihen. Dieses Bild symbolisiert die kreative Quelle, aus der seine Lieder einst sprossen. Die Verwendung des Begriffs „Gottes Odem“ verleiht diesem Schaffensprozess eine sakrale Qualität und deutet auf eine Verbindung zur Natur und zur göttlichen Inspiration hin. Doch im Laufe der Zeit sind die einstigen „Reiser“ zu Bäumen herangewachsen, deren „Wipfel“ nun kühl über ihm schwanken, was die Vergänglichkeit und den Wandel, dem das Leben unterliegt, unterstreicht.
Die dritte Strophe setzt die Naturmetapher fort und verstärkt die Einsamkeit des Sprechers. Er steht nun wie im Wald, umgeben von den Erinnerungen an seine Jugend und seine Lieder. Das „Rauschen“ der Wipfel wird zur Melodie der Erinnerung, die ihn an die „schöne Jugendzeit“ erinnert. Die Isolation verstärkt das Gefühl des Verlustes und der Wehmut nach einer Zeit, in der die Welt von Sinnlichkeit, Kreativität und Unschuld erfüllt war. Die Gedanken des Sprechers wandern in die Vergangenheit, und das Gedicht wird zu einem Dialog mit der verlorenen Jugend.
Insgesamt ist „Valet“ ein berührendes Gedicht, das die Themen Abschied, Vergänglichkeit und die Schönheit der Erinnerung vereint. Eichendorff nutzt eine einfache, aber effektive Sprache, um die tiefe Traurigkeit des Sprechers auszudrücken, der sich von seiner kreativen Vergangenheit verabschiedet. Die Natur dient als Metapher für den Kreislauf von Werden und Vergehen und spiegelt die innere Wandlung des Sprechers wider. Das Gedicht ist ein melancholisches Zeugnis des menschlichen Erlebens von Verlust und des Trostes, den die Erinnerung an vergangene Freuden spenden kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.