Unmut
O Herbst! betrübt verhüllst du
Strom, Wald und Blumenlust,
Erbleichte Flur, wie füllst du
Mit Sehnsucht nun die Brust!
Weit hinter diesen Höhen,
Die hier mich eng umstellt,
Hör ich eratmend gehen
Den großen Strom der Welt.
In lichtem Glänze wandelt
Der Helden heilger Mut,
Es steigt das Land verwandelt
Aus seiner Söhne Blut.
Auch mich füllt männlich Trauern,
Wie euch, bei Deutschlands Wehn –
Und muß in Sehnsuchtsschauern
Hier ruhmlos untergehn!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Unmut“ von Joseph von Eichendorff ist eine melancholische Reflexion über die persönliche Unzufriedenheit und den Kontrast zwischen der eigenen Situation und dem größeren historischen Geschehen, das als idealisiert wahrgenommen wird. Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der herbstlichen Natur, die durch ihre Trübsal und Verhüllung die innere Stimmung des lyrischen Ichs widerspiegelt. Die Worte „betrübt verhüllst“ und „erbleichte Flur“ weisen auf eine allgemeine Niedergeschlagenheit und einen Verlust von Lebendigkeit hin, der die Seele des Sprechers erfasst. Der Herbst, als Symbol für den Übergang und die Vergänglichkeit, verstärkt diesen Eindruck und wird zum Ausdruck der eigenen Unzufriedenheit.
Der zweite Teil des Gedichts lenkt den Blick weg von der unmittelbaren Umgebung hin zu einer Sehnsucht nach der Weite und dem historischen Geschehen. Die Zeilen „Weit hinter diesen Höhen, / Die hier mich eng umstellt, / Hör ich eratmend gehen / Den großen Strom der Welt“ deuten auf den Wunsch nach Freiheit und Teilhabe an etwas Größerem. Der „große Strom der Welt“ repräsentiert hier wahrscheinlich das geschichtliche Geschehen und die Ideale, für die sich andere einsetzen. Die Enge der eigenen Situation wird durch die metaphorischen „Höhen“ betont, die das lyrische Ich umgeben und von der Welt abtrennen.
Die dritte Strophe thematisiert dann explizit den Heldenmut und die Opferbereitschaft, die mit dem „Land“ und seinen „Söhnen“ verbunden werden. „In lichtem Glänze wandelt / Der Helden heilger Mut, / Es steigt das Land verwandelt / Aus seiner Söhne Blut.“ Diese Zeilen verweisen auf ein Idealbild von patriotischem Engagement und den Preis, der dafür gezahlt wird. Das lyrische Ich sieht sich jedoch nicht in der Lage, diesem Ideal zu entsprechen, was zu einem Gefühl der Ohnmacht und des „Unmuts“ führt.
Im letzten Teil des Gedichts, mit den Versen „Auch mich füllt männlich Trauern, / Wie euch, bei Deutschlands Wehn – / Und muß in Sehnsuchtsschauern / Hier ruhmlos untergehn!“, wird die persönliche Betroffenheit des lyrischen Ichs nochmals verstärkt. Der „Unmut“ ist verbunden mit dem Schmerz über die aktuelle Situation Deutschlands, was auf eine politische Dimension des Gedichts hindeutet. Das lyrische Ich fühlt sich gezwungen, in einer Situation der Passivität zu verharren, ohne aktiv am Geschehen teilnehmen zu können. Die „Sehnsuchtsschauern“ und das „ruhmlos Untergehn“ drücken das Gefühl der Vergeblichkeit und des inneren Konflikts aus, der entsteht, wenn man sich nach Größe sehnt, aber gleichzeitig nicht die Möglichkeit oder den Mut hat, danach zu streben.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.