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Toleranz

Von

Der dicke Franz nahm eine Hur′ ins Haus.
Sein Nachbar Melcher sprach:
Ei Franz, jag doch das Mensch hinaus!
Im ganzen Dorf spricht man dir Uebels nach.
Hm, sprach der aufgeklärte Franz,
′S ist dummes Volk, weiß nichts von Toleranz.

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Gedicht: Toleranz von Christian Friedrich Daniel Schubart

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Toleranz“ von Christian Friedrich Daniel Schubart ist eine pointierte Auseinandersetzung mit dem Thema Toleranz und Intoleranz innerhalb einer scheinbar banalen Alltagssituation. Das Gedicht beginnt mit der Feststellung, dass Franz eine „Hur′ ins Haus“ nimmt, was sofort eine Reaktion von seinem Nachbarn Melcher auslöst, der ihn auffordert, diese Person zu entfernen, da dies im Dorf negativ bewertet würde.

Die Reaktion von Melcher ist von Intoleranz geprägt. Er urteilt aufgrund von gesellschaftlichen Konventionen und Vorurteilen, ohne die Umstände oder Gründe für Franz’ Verhalten zu hinterfragen. Melchers Äußerung „Im ganzen Dorf spricht man dir Uebels nach“ deutet auf den Druck der öffentlichen Meinung und die Angst vor sozialer Ächtung hin, die im Dorf vorherrschen. Diese Angst ist ein typisches Merkmal einer Gesellschaft, die Intoleranz und Ausgrenzung praktiziert.

Die eigentliche Pointe des Gedichts liegt in der Antwort von Franz, der sich als aufgeklärt darstellt und Melcher beschuldigt, „dummes Volk“ zu sein, das nichts von Toleranz versteht. Franz’ Reaktion ist ironisch, da er, indem er eine „Hur′“ in seinem Haus duldet, einen Akt der Toleranz ausübt, während Melcher mit seiner Aufforderung genau das Gegenteil verkörpert. Franz nutzt das Wort Toleranz, um seinen eigenen Handlungen einen moralischen Anstrich zu geben, während er gleichzeitig die Engstirnigkeit seiner Nachbarn kritisiert.

Das Gedicht ist ein klares Plädoyer für Toleranz und kritisiert die enge, moralistisch geprägte Sichtweise, die in der Gesellschaft oft vorherrscht. Die Verwendung einfacher Sprache und Alltagssprache unterstreicht die Relevanz des Themas für jedermann. Schubart veranschaulicht durch die kurze Szene, wie leicht Menschen zu intoleranten Urteilen neigen und wie wichtig es ist, die eigenen Vorurteile zu hinterfragen und die Vielfalt der menschlichen Lebensweisen zu akzeptieren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.