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Todeslust

Von

Bevor er in die blaue Flut gesunken,
Träumt noch der Schwan und singet todestrunken;
Die sommermüde Erde im Verblühen
Läßt all ihr Feuer in den Trauben glühen;
Die Sonne, Funken sprühend, im Versinken,
Gibt noch einmal der Erde Glut zu trinken,
Bis, Stern auf Stern, die Trunkne zu umfangen,
Die wunderbare Nacht ist aufgegangen.

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Gedicht: Todeslust von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Todeslust“ von Joseph von Eichendorff beschreibt eine Szene, die von Verfall, Schönheit und einem Hauch von Auflösung geprägt ist. Es vereint Elemente des Todes mit einer intensiven Lebenslust, die sich in den Bildern der Natur widerspiegelt. Der Titel deutet bereits auf eine Ambivalenz hin: eine Sehnsucht nach dem Tod, die jedoch nicht von Trauer, sondern von einer erregten Hingabe an das Endliche begleitet wird.

Das Gedicht beginnt mit dem Bild des sterbenden Schwans, der in seinem letzten Moment einen „todestrunkenen“ Gesang ausstößt. Hier wird der Tod nicht als schmerzhaft oder furchterregend dargestellt, sondern als ein Zustand, der mit Trunkenheit und Genuss verbunden ist. Die „sommermüde Erde“ und die „glühenden Trauben“ symbolisieren den Höhepunkt der Reife, der kurz vor dem Verfall steht. Die Sonne, die „Funken sprühend“ untergeht, verstärkt diesen Eindruck und deutet auf eine finale, intensive Energie hin, bevor die Nacht anbricht. Die Sprache ist reich an Bildern und Metaphern, die das Sterben als einen Prozess der Verwandlung und des Genusses darstellen.

Die Verwendung von Wörtern wie „glühen“, „Funken sprühend“ und „trunken“ erzeugt eine Atmosphäre von Wärme, Ekstase und Sinnlichkeit. Der Tod wird hier mit dem Höhepunkt der Lebensfülle gleichgesetzt, als wäre er die ultimative Erfahrung, die das Leben zu bieten hat. Die Natur scheint sich in diesem Moment zu vereinen, um einen Abschied in Schönheit und Intensität zu feiern. Die Hingabe an das Sterben wird zu einer Erfahrung der Glückseligkeit, die in den Zeilen widerhallt.

Der abschließende Vers „Bis, Stern auf Stern, die Trunkne zu umfangen, / Die wunderbare Nacht ist aufgegangen“ vollendet das Bild der Auflösung und des Eintauchens in die Dunkelheit. Die Sterne, die die „Trunkne“ umarmen, symbolisieren die Verschmelzung mit dem Universum, ein Zustand der Einheit, in dem alle Grenzen verschwimmen. Die „wunderbare Nacht“ wird zur Metapher für den Tod, der hier nicht als Ende, sondern als ein Übergang in eine andere, vielleicht noch intensivere Form des Seins dargestellt wird. Eichendorffs Gedicht erfasst damit auf beeindruckende Weise die Schönheit des Verfalls und die Faszination des Todes.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.