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Todesgedanken im Frühling

Von

Welche Stimme schallet
Vom Gebirg und wallet
Um mein lauschend Ohr;
Welche Silbertöne
Rufen: »meine Schöne
Auf! und tritt hervor.«
Schaue nur,
Wie die Natur
Sich in ihrer Pracht erhebet
Und auf′s neue lebet.

Schnee und Regengüsse
Sind dahin. Die Flüsse
Wandeln ihren Lauf
Komm aus deiner Hütte,
Unter deinem Schritte
Sprossen Blumen auf.
Komm und schau
Den Morgenthau
Tausend goldne Sonnenstrahlen
Auf die Veilchen malen.

Balsamreiche Düfte
Schwimmen durch die Lüfte;
Denn der Weinstock blüht
Hör! die Turteltaube
Girrt aus jener Laube
Dir ein Frühlingslied.
Auf! der Mal
Flieht sonst vorbei.
Sieh, die Feigenbäume zeigen
Knoten an den Zweigen.

Meiner Jugend Leiter,
Freund, o rede weiter;
Denn ich höre gern.
Doch die Stimme schweiget
Und der Fühling zeiget
Spuren seines Herrn.
Wo Er war,
Seh′ ich ein paar
Junge Frühlingsrosen blühen,
Die wie Sterne glühen.

Aus dem Erdenschooße
Schallt von jeder Rose
Gottes Ruhm hinauf.
Kleine Sänger schlüpfen
In den Busch und hüpfen
Jubilrend auf. –
Wo die Pracht
Des Frühlings lacht,
Auf dem Schauplatz von Vergnügen
Sollen Todte liegen?

Grabgedanken, härter,
Schneidender als Schwerter
Fahrt ihr durch mein Herz.
Arme Frühlingsscenen,
Hemmt ihr meine Thränen,
Stillt ihr meinen Schmerz?
Nur das Wort
Ist schon ein Mord:
Unter jenem grünen Haine
Liegen Todtenbeine.

Alles um mich lebet,
Jener Baum erhebet
Schön sein Blüthenhaupt.
Aber seine Kräfte
Und sein Schmuck sind Säfte,
Die er Menschen raubt.
Blume hier,
Wer konnte dir
Die Tyrannenfreiheit schenken,
Menschenblut zu trinken?

Gott hat′s ihr gegeben,
Und die Bäum′ erheben
Auf sein Wort ihr Haupt.
Einst nach diesem Leben
Müssen sie uns geben,
Was sie uns geraubt.
Sterb′ auch ich,
Dann heben sich
Ueber meiner todten Hülle
Blumen auch in frischer Fülle.

Komm du junge Schöne,
Meine Todestöne
Wallen sanft dir zu.
Schau, im Frühlingswetter
Fallen Rosenblätter
Und so fällst auch du.
Brich sie ab,
Auf jenem Grab
Stehen sonnenrothe Nelken,
Die wie du verwelken.

Seht nun auf ihr Blicke,
Dahin, wo mein Glücke
Aus den Wolken lacht.
Dort auf jenem Sterne
Wohn′ ich einst und lerne
Schöpfer, deine Macht.
Seele auf!
Zu Gott hinauf!
Dort wird es in jeden Kreisen
Ewig Frühling heißen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Todesgedanken im Frühling von Christian Friedrich Daniel Schubart

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Todesgedanken im Frühling“ von Christian Friedrich Daniel Schubart ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Thematik des Todes inmitten der lebendigsten und schönsten Zeit des Jahres: dem Frühling. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung der erweckenden Natur, der Schönheit und der Freude, die der Frühling mit sich bringt. Diese heitere Atmosphäre wird jedoch immer wieder durch düstere Gedanken und die Auseinandersetzung mit dem Tod unterbrochen, wodurch ein starker Kontrast entsteht. Die scheinbare Idylle wird durch die Erkenntnis überschattet, dass der Tod allgegenwärtig ist.

Die erste Hälfte des Gedichts zeichnet ein lebendiges Bild der erwachenden Natur, wobei der Dichter die Leser einlädt, die Schönheit des Frühlings zu genießen. Er beschreibt blühende Blumen, singende Vögel und die duftende Luft. Doch diese positiven Eindrücke werden durch die wiederkehrenden Todesgedanken, die wie „Schwerter“ das Herz des Dichters durchbohren, konterkariert. Die Frage nach dem Sinn des Lebens und dem Platz des Todes in dieser Fülle an Leben wird immer präsenter. Die Schönheit der Natur wird somit zu einem Spiegelbild des menschlichen Lebens, das vergänglich ist.

Der Kontrast zwischen Leben und Tod wird im weiteren Verlauf des Gedichts vertieft. Der Dichter stellt fest, dass auch die Natur selbst, wie etwa die Bäume, im Grunde genommen auf Zerstörung beruht, da sie ihre „Kräfte“ und ihren „Schmuck“ aus der Not der Menschen gewinnen. Die Frage nach der Gerechtigkeit und dem Sinn des Daseins wird erneut aufgeworfen. Doch trotz all dieser düsteren Gedanken findet der Dichter Trost und Hoffnung in der Vorstellung des ewigen Lebens nach dem Tod, wo der Frühling in seiner ewigen Form existiert.

Die abschließenden Strophen des Gedichts lenken den Blick auf die Vergänglichkeit der irdischen Existenz und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Das Gedicht endet mit der Einladung an eine „junge Schöne“ – möglicherweise eine geliebte Person – die Vergänglichkeit des Lebens zu akzeptieren und die Hoffnung auf ein ewiges Leben im Angesicht des Schöpfers zu teilen. Die letzte Strophe weist auf die Erwartung eines transzendenten Frühjahrs im Jenseits hin, wo ewiger Frieden und Freude herrschen. Das Gedicht ist somit eine Reflexion über die menschliche Existenz, die Schönheit und Vergänglichkeit, den Tod und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.