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Sonette

Von

1

Es qualmt′ der eitle Markt in Staub und Schwüle,
So klanglos öde wallend auf und nieder,
Wie dacht ich da an meine Berge wieder,
An frischen Sang, Felsquell und Waldeskühle!

Doch steht ein Turm dort über dem Gewühle,
Der andre Zeiten sah und beßre Brüder,
Das Kreuz treu halten seine Riesenglieder,
Wie auch der Menschlein Flut den Fels umspüle

Das war mein Hafen in der weiten Wüste,
Oft kniet ich betend in des Domes Mitte,
Dort hab ich dich, mein liebes Kind, gefunden;

Ein Himmelbote wohl, der so mich grüßte:
„Verzweifle nicht! Die Schönheit und die Sitte
Sie sind noch von der Erde nicht verschwunden.“

2

Ein alt Gemach voll sinnger Seltsamkeiten,
Still′ Blumen aufgestellt am Fensterbogen,
Gebirg und Länder draußen blau gezogen,
Wo Ströme gehn und Ritter ferne reiten.

Ein Mädchen, schlicht und fromm wie jene Zeiten,
Das, von den Abendscheinen angeflogen,
Versenkt in solcher Stille tiefe Wogen –
Das mocht auf Bildern oft das Herz mir weiten.

Und nun wollt wirklich sich das Bild bewegen,
Das Mädchen atmet′ auf, reicht aus dem Schweigen
Die Hand mir, daß sie ewig meine bliebe.

Da sah ich draußen auch das Land sich regen,
Die Wälder rauschen und Aurora steigen –
Die alten Zeiten all weckt mir die Liebe.

3

Wenn zwei geschieden sind von Herz und Munde,
Da ziehn Gedanken über Berg′ und Schlüfte
Wie Tauben säuselnd durch die blauen Lüfte,
Und tragen hin und wieder süße Kunde.

Ich schweif umsonst, so weit der Erde Runde,
Und stieg ich hoch auch über alle Klüfte,
Dein Haus ist höher noch als diese Lüfte,
Da reicht kein Laut hin, noch zurück zum Grunde.

Ja, seit du tot – mit seinen blühnden Borden
Wich ringsumher das Leben mir zurücke,
Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.

Doch ist dein Bild zum Sterne mir geworden,
Der nach der Heimat weist mit stillem Blicke,
Daß fromm der Schiffer streite mit den Winden.

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Gedicht: Sonette von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sonette“ von Joseph von Eichendorff ist eine tiefgründige Reflexion über die Suche nach Trost, Glauben und Liebe inmitten einer oft als trostlos empfundenen Welt. Die drei Sonette behandeln unterschiedliche Aspekte dieser Suche, wobei das erste Sonett die Flucht vor der Oberflächlichkeit, das zweite die Sehnsucht nach einer idealisierten Vergangenheit und das dritte die Trauer über den Verlust und die Hoffnung auf Trost thematisiert.

Das erste Sonett beginnt mit dem Bild eines „eitle[n] Markt[s] in Staub und Schwüle“, das die Hektik und Oberflächlichkeit der Welt symbolisiert. Der Sprecher sehnt sich nach der „Waldeskühle“ und den „Bergen“, was für ihn eine Rückbesinnung auf Natur, Ruhe und geistige Klarheit darstellt. Der „Turm“, der über dem Markt steht, verkörpert die Beständigkeit des Glaubens und der Tradition, ein Anker in der sich ständig verändernden Welt. Das Kreuz auf dem Turm und die „beßre Brüder“ deuten auf eine tiefe Verbundenheit mit der Vergangenheit und dem Göttlichen hin. Die letzten Verse betonen die Bedeutung des Glaubens als „Hafen in der weiten Wüste“ und die Erlangung von Trost in der Kirche, wo das „liebe Kind“ gefunden wurde.

Das zweite Sonett entführt den Leser in eine idealisierte Vergangenheit. Das „alt Gemach“ mit seinen „Blumen“, „Gebirg“ und „Rittern“ steht für eine romantische Vorstellung von vergangenen Zeiten. Das „Mädchen, schlicht und fromm“, das in der Stille versunken ist, symbolisiert Unschuld und Reinheit. Die Begegnung mit diesem Bild und die daraus erwachte Sehnsucht nach der „Liebe“ wecken Erinnerungen an die Vergangenheit und die Hoffnung auf eine Wiedergeburt des Ideals. Das Mädchen, das aus dem Gemälde tritt, deutet auf die Möglichkeit hin, dass die Ideale der Vergangenheit im Hier und Jetzt lebendig werden können.

Das dritte Sonett befasst sich mit Verlust und Trauer. Der Verlust einer geliebten Person führt zu einer tiefen Verzweiflung, symbolisiert durch das „weite Meer, wo keine Bahn zu finden“. Die Gedanken schweifen umher, unfähig, die geliebte Person zu erreichen. Doch die Hoffnung auf Trost und eine transzendente Verbindung wird durch das Bild eines „Stern[s]“ ausgedrückt, der zum Leitstern für den Trauernden wird. Dieser Stern weist „nach der Heimat“ und vermittelt die Zuversicht, dass der Glauben und die Liebe auch über den Tod hinaus bestehen bleiben. Die „fromme[r] Schiffer“, der mit den „Winden“ kämpft, steht für die menschliche Seele, die auf ihrer Reise Trost in der Hoffnung und im Glauben findet.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.