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Schwerer Abend

Von

Die Tore aller Himmel stehen hoch dem Dunkel offen,
Das lautlos einströmt, wie in bodenlosen Trichter
Land niederreißend. Schatten treten dichter
Aus lockren Poren nachtgefüllter Schollen.
Die Pappeln, die noch kaum von Sonne troffen,
Sind stumpf wie schwarze Kreuzesstämme übers Land geschlagen.
Die Acker wachsen grau und drohend – Ebenen trüber Schlacke.
Nacht wirbelt aus den Wolkengruben, über die die Stöße rollen
Schon kühler Winde, und im dämmrigen Gezacke
Hellgrüner Weidenbüschel, drin es rastend sich und röchelnd eingeschlagen,
Verglast das letzte Licht.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Schwerer Abend von Ernst Stadler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Schwerer Abend“ von Ernst Stadler beschreibt eine düstere, beklemmende Abendstimmung, in der die Natur in einen Zustand der Schwere und des Verfalls überzugehen scheint. Die Verwendung von Metaphern und bildhafter Sprache vermittelt ein Gefühl von Untergang und drohender Finsternis. Der „schwere Abend“ wird hier als eine Zeit des Übergangs dargestellt, in der die Grenzen zwischen Himmel und Erde verschwimmen und das Dunkel allmählich die Oberhand gewinnt. Die Atmosphäre ist angespannt und bedrohlich, was durch die Wortwahl und die gewählten Bilder noch verstärkt wird.

Der erste Teil des Gedichts konzentriert sich auf das Eindringen des Dunkels und die Veränderung der Landschaft. Die „Tore aller Himmel“ öffnen sich und lassen das Dunkel „lautlos einströmen“, was eine beunruhigende Stille suggeriert, die der drohenden Gefahr vorausgeht. Das Dunkel wird als zerstörerische Kraft dargestellt, die das Land „niederreißt“. Die Schatten werden „dichter“, was das Gefühl der Enge und des Unbehagens verstärkt. Die Beschreibung der Pappeln als „schwarze Kreuzesstämme“ deutet auf eine düstere Atmosphäre und den drohenden Tod hin. Die Natur wird hier als Spiegelbild der menschlichen Seele verwendet, die ebenfalls von Trauer und Verzweiflung erfasst zu sein scheint.

Im zweiten Teil des Gedichts werden die Details der veränderten Landschaft genauer beschrieben. Die „Acker wachsen grau und drohend“, was auf eine kommende Unfruchtbarkeit und den Verlust der Lebensgrundlage hindeutet. Die „Ebenen trüber Schlacke“ verstärken das Bild des Verfalls und der Hoffnungslosigkeit. Die Nacht selbst scheint aus den „Wolkenruben“ zu wirbeln und über die Landschaft zu ziehen. Die kühler werdenden Winde und das „dämmrige Gezacke“ der Weidenbüschel, in denen das letzte Licht „verglast“, unterstreichen das Gefühl des nahenden Endes und der Vergänglichkeit.

Insgesamt ist „Schwerer Abend“ ein Gedicht, das die Schönheit und Erhabenheit der Natur in den Hintergrund treten lässt, um stattdessen ein Gefühl von Bedrohung und Untergang zu erzeugen. Stadler nutzt eine kraftvolle Bildsprache und die Darstellung von düsteren Naturphänomenen, um eine Atmosphäre der Schwere zu schaffen, die den Leser in ihren Bann zieht. Das Gedicht spiegelt die Verzweiflung und die Angst vor dem Unbekannten wider, die in der Epoche des Expressionismus, in der Stadler lebte, weit verbreitet waren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.