Einsam graut das Kastell in weiter schweigender Wildniß,
Trümmer der mächtigen Stadt liegen wie Gräber umher.
Einst umspülte sie Meer, nun zog sich′s zurück, und die Erde
Müssen wir jegliches Jahr seichter und trockener sehn.
Ostia
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ostia“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger beschreibt in vier Versen die melancholische Szenerie der verlassenen römischen Hafenstadt Ostia. Der Dichter fängt die Stille und Verlassenheit der Ruinen ein, die in einer weiten, wilden Landschaft stehen. Die Wahl des Wortes „Wildniß“ unterstreicht den Kontrast zwischen der einstigen Zivilisation und der wieder zurückgekehrten Natur, die sich die Überreste der Stadt zurückerobert hat. Die ersten beiden Verse zeichnen ein Bild von Verfall und Vergänglichkeit, ein Eindruck, der durch die Verwendung von Begriffen wie „graut“ und „Trümmer“ verstärkt wird. Die „Trümmer der mächtigen Stadt“ liegen wie „Gräber umher“, was die tiefe Melancholie und den Verlust von Glanz und Macht unterstreicht.
Der zweite Teil des Gedichts, beginnend mit Vers drei, fokussiert auf die veränderte Beziehung zwischen Land und Meer. Waiblinger deutet eine Veränderung der Natur an, denn wo einst das Meer die Stadt umspülte, hat es sich nun zurückgezogen. Diese Bewegung weg vom Meer hin zum Land deutet auf einen langsamen Verfall hin, der auch die Beziehung des Menschen zur Umwelt verändert. Die Formulierung „und die Erde / Müssen wir jegliches Jahr seichter und trockener sehn“ ist ein eindringliches Bild, das die fortschreitende Austrocknung und Verödung der Landschaft und die Auswirkungen auf die menschliche Welt verdeutlicht.
Die Kürze des Gedichts und die einfache Sprache tragen zur Wirkung bei. Waiblinger verzichtet auf ausgeschmückte Metaphern und komplizierte Satzstrukturen, was die Botschaft klar und unmissverständlich macht. Die schlichte Beschreibung der Szenerie und die direkten Aussagen verstärken den Eindruck von Vergänglichkeit und dem unaufhaltsamen Lauf der Zeit. Die wenigen Worte genügen, um ein Gefühl der Trauer und des Verlustes zu erzeugen.
Das Gedicht kann als eine Reflexion über die Natur des Wandels und der Vergänglichkeit interpretiert werden. Es zeigt, wie die Zeit selbst die größten Werke der menschlichen Zivilisation zerstören kann. Die Veränderung der Landschaft, der Rückzug des Meeres und die Austrocknung der Erde spiegeln den unvermeidlichen Kreislauf von Werden und Vergehen wider. Waiblingers „Ostia“ ist somit nicht nur eine Beschreibung eines Ortes, sondern eine poetische Auseinandersetzung mit der großen Geschichte von Mensch und Natur.
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