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Nun ruhen alle Wälder.

Von

O Welt, ich muß dich laßen.

Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt und Felder,
es schläft die ganze Welt:
Ihr aber, meine Sinnen,
auf, auf! ihr sollt beginnen,
was eurem Schöpfer wohlgefällt

Wo bist du, Sonne, blieben?
die Nacht hat dich vertrieben,
Die Nacht, des Tages Feind:
Fahr hin, ein’ andre Sonne,
mein Jesus, meine Wonne,
gar hell in meinem Herzen scheint.

Der Tag ist nun vergangen,
die güldnen Sternlein prangen
am blauen Himmelssaal:
So, so werd ich auch stehen,
wenn mich wird heißen gehen
mein Gott aus diesem Jammerthal.

Der Leib, der eilt zur Ruhe,
legt ab das Kleid und Schuhe,
das Bild der Sterblichkeit:
Die zieh ich aus, dagegen
wird Christus mir anlegen
den Rock der Ehr und Herrlichkeit.

Das Haupt, die Füß und Hände
sind froh, daß nun zum Ende
die Arbeit kommen sei:
Herz, freu dich, du sollst werden
vom Elend dieser Erden
und von der Sünden Arbeit frei.

Nun geht, ihr matten Glieder,
geht, geht und legt euch nieder,
der Betten ihr begehrt:
Es kommen Stund und Zeiten,
da man euch wird bereiten
zur Ruh ein Bettlein in der Erd.

Mein’ Augen stehn verdroßen,
im Hui sind sie geschloßen,
wo bleibt dann Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
sei gut für allen Schaden,
du Aug und Wächter Israel!

Breit aus die Flügel beide,
o Jesu, meine Freude
und nimm dein Küchlein ein!
Will Satan mich verschlingen,
so laß die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein.

Auch euch, ihr meine Lieben,
soll heute nicht betrüben
kein Unfall noch Gefahr!
Gott laß euch ruhig schlafen,
stell euch die güldnen Waffen
ums Bett und seiner Helden Schaar!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Nun ruhen alle Wälder. von Paul Gerhardt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nun ruhen alle Wälder“ von Paul Gerhardt ist ein Abendlied, das in einer Zeit des Rückzugs und der Kontemplation Trost und Hoffnung vermittelt. Es feiert die Ruhe der Nacht und die Vorfreude auf das ewige Leben. Der Dichter nimmt die natürliche Ordnung der Welt – das Ruhen der Wälder, der Tiere und Menschen – zum Anlass, seine eigenen Sinne aufzuwecken und sich auf die Begegnung mit Gott zu konzentrieren. Die ersten Strophen etablieren eine friedliche Szene, in der die äußere Welt zur Ruhe kommt, während das lyrische Ich seinen inneren Blick auf Gott richtet.

Die zentralen Motive des Gedichts sind die Sehnsucht nach Erlösung und die Hoffnung auf das ewige Leben. Die Nacht, die den Tag vertreibt, symbolisiert das Ende des irdischen Lebens und den Übergang in eine neue Existenz, in der Jesus als „andere Sonne“ im Herzen des Gläubigen scheint. Die Metaphern der Kleidung und der Ruhe des Körpers bereiten auf den Abschied von der irdischen Welt vor. Der Dichter wünscht sich, von Christus mit dem „Rock der Ehr und Herrlichkeit“ bekleidet zu werden, ein Bild für die Verklärung nach dem Tod. Die Erwartung der Freiheit von Leid und Sünde ist ein wiederkehrendes Thema.

Gerhardt verknüpft die irdische Ruhe mit der Hoffnung auf eine himmlische Ruhe. Er reflektiert über das Ende des Tages und des Lebens, wobei der Tod als natürliche Begebenheit imitiert wird, da das Gedicht darauf hinarbeitet. Die Anordnung der Strophen vom irdischen Schlaf bis zur himmlischen Geborgenheit erzeugt eine kontinuierliche Bewegung von der irdischen Welt zur göttlichen Welt, wobei der Dichter Trost in der Zuwendung zu Gott findet. Die Bilder von Engeln, die das „Küchlein“ (die Seele) beschützen, und die Bitte um Gottes Gnade und Schutz unterstreichen die tiefe Gläubigkeit des Dichters.

Die Sprache des Gedichts ist schlicht und volksliedhaft, was die Intimität und Zugänglichkeit des Textes verstärkt. Der Reim unterstützt den meditativen Charakter und erleichtert das Memorieren. Der Dichter verwendet eine einfache, direkte Sprache, um seine innigen Gefühle und seine tiefe Frömmigkeit auszudrücken. Das Gebet um Schutz vor den Versuchungen des Satans und die Fürbitte für seine Lieben zeigen das tief empfundene Bedürfnis nach Geborgenheit und Frieden.

Insgesamt ist „Nun ruhen alle Wälder“ ein ergreifendes Gedicht, das Trost und Hoffnung in der Auseinandersetzung mit dem Tod und der Ewigkeit bietet. Es ist ein Zeugnis tiefen Glaubens und der Sehnsucht nach einer Gemeinschaft mit Gott. Das Gedicht ist ein Plädoyer für die Ruhe und den Frieden, die in der Beziehung zu Gott gefunden werden können. Es lädt den Leser ein, die Vergänglichkeit des irdischen Lebens zu betrachten und sich auf die Ewigkeit zu freuen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.