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Neujahr 1871

Von

Das alte Jahr – vom Turm hat′s ausgeklungen,
Auf horcht im Traum der Dohlen dunkle Schar,
Und klirrend sind die Pforten aufgesprungen
(Wie Waffen klirr′n) von einem neuen Jahr;
Ein Trennungsschnitt ist wieder eingedrungen
In das, was sein wird, und in das, was war,
Und eh′ wir Wunsch und Bitte vorwärts schicken,
Was läg′ uns näher, als zurückzublicken?

In welch ein Jahr! Es ruht das stille Schaffen,
Der Dinge schönes Gleichmaß ist gestört,
Vom Rhein zum Njemen klingt es: »Zu den Waffen!
Das Unrecht schreit, die Schmach ist unerhört« –
Und bis zu dieser Stunde kein Erschlaffen
Seit jenem Tag von Weißenburg und Wörth,
In jedem Kampf aufs neue ruhmbereichert,
Was ward seit Spichern alles aufgespeichert!

Dreimal vor Metz, in ungeheurem Ringen,
Auf, ab die Mosel fing das Ernten an,
Bis an der Maas in eisernem Umschlingen
Deutschland den Ehr- und Erntekranz gewann;
An dieses Kranzes blut′gen Ähren hingen
Armeen: dreimalhunderttausend Mann,
Gefangen all! Ein Kaiser ging verloren,
Ein andrer: (Kaiser Weißhart) ward geboren.

Das alte Jahr, in Kampf und Mut und Streben
Hat′s uns gefeit, gewappnet und gestählt,
Du neues Jahr, o woll′ auch das noch geben,
Das Eine noch, das uns allein noch fehlt:
Laß jenen Ölzweig zu uns niederschweben,
Auf den ein jedes Herz jetzt hofft und zählt,
Zu allem, was das alte Jahr beschieden,
Du neues Jahr, o gib uns Frieden, Frieden!

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Gedicht: Neujahr 1871 von Theodor Fontane

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Neujahr 1871“ von Theodor Fontane ist eine Reflexion über das Jahr 1870, das von der deutsch-französischen Kriegsauseinandersetzung geprägt war. Es verbindet die traditionelle Neujahrsstimmung mit dem erdrückenden Gefühl des Krieges und der Hoffnung auf Frieden. Das Gedicht beginnt mit einem melancholischen Rückblick auf das vergangene Jahr, symbolisiert durch das Ausklingen des alten Jahres und das Öffnen der Pforten des neuen Jahres, begleitet von dem scharfen Klang von Waffen.

Die zweite Strophe beschreibt eindrücklich die kriegerischen Ereignisse. Fontane skizziert die Zerstörung des friedlichen Schaffens und die allgemeine Kriegsstimmung, die sich vom Rhein bis zum Njemen ausbreitete. Er hebt die militärischen Erfolge hervor, die durch die Schlachten in Weißenburg, Wörth, Spichern und Metz erlangt wurden. Die bildreiche Sprache, wie zum Beispiel „Das Unrecht schreit, die Schmach ist unerhört“, verdeutlicht die emotionalen Auswirkungen des Krieges. Die Aufzählung der Ereignisse und Schlachten dient dazu, die gewaltige Realität des Krieges darzustellen und die monumentalen Verluste und Errungenschaften des Jahres hervorzuheben.

In der dritten Strophe wird die Tragweite des Krieges durch detaillierte Beschreibungen der blutigen Schlachten, der Gefangennahme von Soldaten und dem Verlust eines Kaisers verdeutlicht. Die Beschreibung der Kriegsmaschinerie und des großen Leids, das verursacht wurde, erreicht hier ihren Höhepunkt. Durch die Betonung der großen Verluste und die Gleichzeitigkeit des Leids mit militärischen Erfolgen wird ein komplexes Bild von Krieg und seinen Folgen gezeichnet.

Die letzte Strophe ist ein Appell an das neue Jahr und eine eindringliche Bitte um Frieden. Fontane blickt auf das vergangene Jahr zurück und würdigt die Tapferkeit, den Mut und die Anstrengungen, die in diesem Jahr geleistet wurden. Er bittet das neue Jahr, den Frieden zu gewähren, nach dem sich alle sehnen. Diese Bitte um Frieden, die inmitten des Krieges ausgesprochen wird, unterstreicht die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und die Sehnsucht nach Ruhe und Erholung nach den Schrecken des Krieges. Die Wiederholung des Wortes „Frieden“ am Ende verstärkt die Dringlichkeit und die zentrale Botschaft des Gedichts.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.