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Nachtlied

Von

Vergangen ist der lichte Tag,
Von ferne kommt der Glocken Schlag;
So reist die Zeit die ganze Nacht,
Nimmt manchen mit, ders nicht gedacht.

Wo ist nun hin die bunte Lust,
Des Freundes Trost und treue Brust,
Des Weibes süßer Augenschein?
Will keiner mit mir munter sein?

Da′s nun so stille auf der Welt,
Ziehn Wolken einsam übers Feld,
Und Feld und Baum besprechen sich, –
O Menschenkind! was schauert dich?

Wie weit die falsche Welt auch sei,
Bleibt mir doch Einer nur getreu,
Der mit mir weint, der mit mir wacht,
Wenn ich nur recht an ihn gedacht.

Frisch auf denn, liebe Nachtigall,
Du Wasserfall mit hellem Schall!
Gott loben wollen wir vereint,
Bis daß der lichte Morgen scheint!

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Gedicht: Nachtlied von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nachtlied“ von Joseph von Eichendorff ist eine melancholische Betrachtung über die Vergänglichkeit des Lebens und die Suche nach Trost in der Nacht. Es beginnt mit einer Beschreibung des Abends und der Stille, die mit dem Schlagen der Glocken einhergeht, und wirft die Frage nach dem Verbleib von Freude, Freundschaft und Liebe auf. Die einsetzende Dunkelheit, in der sich das Gedicht entfaltet, wird als Spiegelbild der menschlichen Erfahrung von Verlust und Einsamkeit genutzt.

Die zweite Strophe verstärkt diese melancholische Stimmung, indem sie die Abwesenheit von weltlichen Freuden beklagt und die Frage nach Trost und Gesellschaft aufwirft. Die Metaphern von „bunte Lust“, „Freundes Trost“ und „süßer Augenschein“ verdeutlichen die Sehnsucht nach Verbundenheit und Geborgenheit. Die rhetorische Frage „Will keiner mit mir munter sein?“ unterstreicht die Isolation des lyrischen Ichs und die allgemeine Stimmung von Leere und Vereinsamung.

Die dritte Strophe leitet eine subtile Wendung ein. Die Beschreibung der einsamen Wolken und der sprechenden Bäume suggeriert eine tiefere Verbindung zur Natur, die dem Menschen Trost spenden kann. Die Frage „O Menschenkind! was schauert dich?“ deutet an, dass die Angst vor der Stille und dem Alleinsein überwindbar ist, wenn man sich der Natur und der eigenen inneren Welt öffnet. Die Natur wird hier als Zeuge der menschlichen Vergänglichkeit und zugleich als Quelle der Ruhe und des Trostes dargestellt.

Die letzte Strophe stellt eine hoffnungsvolle Auflösung dar. Das lyrische Ich findet in der Nacht einen treuen Begleiter, der Gott repräsentiert. Diese Gottverbundenheit bietet Trost und Halt in der Dunkelheit. Die Aufforderung an die Nachtigall und den Wasserfall, gemeinsam Gott zu loben, symbolisiert die Hoffnung auf Erlösung und die Erwartung des Morgens. Das Gedicht endet also mit einer Botschaft des Glaubens und der Hoffnung, die die Vergänglichkeit des irdischen Lebens transzendiert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.