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Mit den fahrenden Schiffen…
Mit den fahrenden Schiffen
Sind wir vorübergeschweift,
Die wir ewig herunter
Durch glänzende Winter gestreift.
Ferner kamen wir immer
Und tanzten im insligen Meer,
Weit ging die Flut uns vorbei,
Und Himmel war schallend und leer.
Sage die Stadt,
Wo ich nicht saß im Tor,
Ging dein Fuß da hindurch,
Der die Locke ich schor?
Unter dem sterbenden Abend
Das suchende Licht
Hielt ich, wer kam da hinab,
Ach, ewig in fremdes Gesicht.
Bei den Toten ich rief,
Im abgeschiedenen Ort,
Wo die Begrabenen wohnen;
Du, ach, warest nicht dort.
Und ich ging über Feld,
Und die wehenden Bäume zu Haupt
Standen im frierenden Himmel
Und waren im Winter entlaubt.
Raben und Krähen
Habe ich ausgesandt,
Und sie stoben im Grauen
Über das ziehende Land.
Aber sie fielen wie Steine
Zur Nacht mit traurigem Laut
Und hielten im eisernen Schnabel
Die Kränze von Stroh und Kraut.
Manchmal ist deine Stimme,
Die im Winde verstreicht,
Deine Hand, die im Traume
Rühret die Schläfe mir leicht;
Alles war schon vorzeiten.
Und kehret wieder sich um.
Gehet in Trauer gehüllet,
Streuet Asche herum.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Mit den fahrenden Schiffen…“ von Georg Heym ist eine düstere Reflexion über die unaufhaltsame Suche nach einer verlorenen oder unerreichbaren Liebe, eingebettet in eine melancholische Landschaft. Es ist ein Gedicht des Verlustes, der Sehnsucht und der Vergeblichkeit, das durch eine Reihe von Bildern und Stimmungen eine tiefgreifende Traurigkeit erzeugt.
Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung des Entfernens, des Vorüberziehens an „fahrenden Schiffen“ und dem Streifen durch „glänzende Winter“. Dies deutet auf eine Reise durch Zeit und Raum hin, eine Suche, die durch verschiedene Landschaften und Erfahrungen führt. Die Zeilen „Und tanzten im insligen Meer, / Weit ging die Flut uns vorbei“ lassen auf eine Rastlosigkeit schließen, ein unaufhörliches Wandern, bei dem das Ich und sein Begleiter (oder das Objekt der Sehnsucht) immer wieder verfehlt werden. Die wiederholte Verwendung von „wir“ erzeugt ein Gefühl der Einheit und des Verlustes, da diese Einheit in der Abwesenheit des Angebeteten zerbricht.
Die Suche nach der geliebten Person erstreckt sich über physische Orte und geistige Sphären. Das lyrische Ich sucht in Städten, unter „sterbenden Abenden“, bei den Toten und über weite, kalte Felder. Die Bilder von „friereden Himmel“ und entlaubten Bäumen verstärken die Atmosphäre der Kälte, der Leere und der Hoffnungslosigkeit. Die Entsendung von Raben und Krähen, die mit Kränzen zurückkehren, die aus „Stroh und Kraut“ bestehen, symbolisiert die Sinnlosigkeit der Suche. Diese Vögel, oft als Boten des Todes angesehen, tragen hier die nutzlose Frucht der Hoffnung, die letztendlich im Scheitern endet.
Das Gedicht endet mit einer Rückbesinnung auf flüchtige Momente der Nähe, „deine Stimme, / Die im Winde verstreicht, / Deine Hand, die im Traume / Rühret die Schläfe mir leicht“. Diese flüchtigen Erinnerungen werden als „vorzeiten“ bezeichnet und betonen die Vergänglichkeit und das Vergehen der Zeit. Das abschließende Bild des „in Trauer gehüllet“ Gehens und des „Streuens von Asche“ unterstreicht die allumfassende Melancholie und das Gefühl der Trauer. Die Asche, ein Symbol des Endes, deutet auf die Zerstörung und das Vergehen alles Irdischen hin. Das Gedicht mündet somit in ein Gefühl des Verlustes, der Sehnsucht und der Unfähigkeit, das Verlorene wiederzufinden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.